Sebastian Hollmann

Sebastian Hollmann ist einer der Session-Geber beim diesjährigen Hoffest von HRpepper. Er wird über „Working out Loud“ (WOL) sprechen und welchen Einfluss die Methode in einer Organisation haben kann. Vorab erzählt Sebastian von seinen gegenwärtigen Beobachtungen zum Thema.

Sebastian, ist das Thema „Working out Loud“ mittlerweile ein Hype, der langsam etwas unheimlich wird?

Schwer zu sagen, obwohl ich den Begriff Hype gerade selbst in einem Blogpost über „Working Out Loud“ benutzt habe. Ein Hype kann ja dreierlei sein: ein kurzfristiges Phänomen, eine übertriebene Erscheinung oder auch etwas, das sich extrem schnell verbreitet. Letzteres trifft auf WOL sicherlich in der momentanen Wahrnehmung zu. Viele Unternehmen beschäftigen sich mit dem Konzept als Lern- und Arbeitsansatz oder haben es bereits erfolgreich eingeführt. Und dadurch entsteht in den Medien natürlich eine hohe Aufmerksamkeit für neue Ansätze, da alle nach wirksamen Formaten suchen. Ich persönlich glaube, dass wir gerade am Beginn einer Veränderung stehen, in der Probleme effektiv und effizient eigentlich nur noch in Netzwerken gelöst werden können. Hier ist WOL meiner Erfahrung nach ein wirksamer Ansatz für Unternehmen, aber auch für den einzelnen Mitarbeiter. Mit Sicherheit gibt es allerdings noch viele weitere, sodass die nächsten Monate und Jahre hoffentlich nicht „unheimlich“ – sondern eher „unheimlich spannend“ werden.

Vielleicht für die Leute, die den Begriff dann doch noch nicht gehört haben. Erklär doch nochmal in ein paar Sätzen, was sich hinter WOL verbirgt?

Für mich bezeichnet „Working Out Loud“ zwei Dinge. Erstens die Fähigkeit zur zielgerichteten und effizienten Zusammenarbeit im digitalen Zeitalter. Dazu gehört auch das passende Mindset: Denn nur, wenn ich mit der richtigen Haltung unterwegs bin, werde ich Netzwerke wertschöpfend nutzen können. Das beschreibt für mich WOL als Arbeitsansatz.
Zweitens ist „Working Out Loud“ auch eine Lernmethode. Die Circles, die bei WOL genutzt werden, sind ein effektiver Social Learning-Ansatz, durch den sich Mitarbeiter selbstorganisiert entwickeln. Hier gibt es mit den Circle Guides von John Stepper konkrete Leitfäden für dieses 12-wöchige Lernprogramm.

Aufbau von vertrauensbasierten Beziehungen

Im vergangenen Jahr hat eine unternehmensübergreifende WOL-Community of Practice unter anderem mit Vertretern von Unternehmen wie Bosch, Daimler und Continental, das du vertreten hast, einen HR Excellence Award gewonnen. Vor kurzem war das Thema auch Titelgeschichte des Personalmagazins. Und mit Christoph Kübel von Bosch hat sogar nun ein Personalvorstand der Bottom-up-Bewegung seine Unterstützung zugesagt. Wie kommt es, dass WOL gerade in großen deutschen Konzernen auf so viel Begeisterung trifft?

Im Kern ist „Working Out Loud“ ja nicht revolutionär neu. Die Methode überträgt jedoch wichtige Prinzipien der Zusammenarbeit auf das digitale Zeitalter – und dadurch wird WOL so spannend! Denn viele Unternehmen setzen bereits auf zukunftsfähige Tools, wie beispielsweise ein sogenanntes Enterprise Social Network. Allein durch das Tool entsteht jedoch noch keine wertschöpfende Zusammenarbeit. Hier müssen Toolset, Skillset und auch Mindset zusammenkommen. Und genau das schafft „Working Out Loud“. Menschen lernen durch diese Methode, wie sie digitale Tools nutzen können, um Inhalte zu teilen. Gleichzeitig entwickeln Sie die Fähigkeit, auch in der häufig anonymen digitalen Welt vertrauensbasierte Beziehungen aufzubauen und diese zu beidseitigem Vorteil zu nutzen, um Ziele zu erreichen.

Neben diesen unmittelbaren Effekten hat WOL jedoch auch Einfluss auf die Kultur – und ich glaube insbesondere hier liegt ein wesentlicher, wenn auch schwer messbarer, Mehrwert. Gerade traditionelle Organisationen, die sich wandeln möchten, können durch „Working Out Loud“ erste Impulse hin zu einer anderen Form der Zusammenarbeit setzen, die stärker auf den von Willms Buhse in seinem “VOPA+”-Modell definierten Anforderungen Vernetzung, Offenheit, Partizipation, Agilität und Vertrauen basiert.

Du hast in Bezug auf WOL einmal vom „Onbording für die digitale Transformation“ gesprochen. Wie hast du das gemeint?
„Working Out Loud“ ist – wie Sabine Kluge, die ja auch bei eurem Hoffest dabei ist, es gern formuliert – das erste Change-Programm, dass sowohl dem Unternehmen als auch dem Mitarbeiter hilft. Die bereits angesprochenen Circles sind dabei für mich eine Art „Trainingslager”, in dem Menschen lernen, wie sie im digitalen Zeitalter wirksam zusammenarbeiten können. Neben den bereits erwähnten Effekten hilft WOL den Menschen ebenfalls dabei, mit herausfordernden Situationen im Arbeitsalltag besser umgehen zu können. Die Forschung zeigt, dass gerade die sogenannte Selbstwirksamkeitserwartung einen starken Einfluss darauf hat, ob wir Stress als negativ und damit belastend empfinden. Deswegen ist WOL – auch in meiner ganz persönlichen Erfahrung – eine wirksame Methode, um sich für die Anforderungen der Transformation zu wappnen.

Gestartet als Graswurzel-Bewegung

Wie weit seid Ihr diesbezüglich bei Continental? Ist WOL bei euch schon das kulturelle Programm für die digitale Transformation?

Wir nutzen WOL seit 2015. Eingeführt wurde es damals als Graswurzel-Bewegung, heute hat die Working Out Loud-Community in unserem internen Social Network rund 1.500 Mitglieder. Das ist sicherlich nicht schlecht, aber natürlich sind diese Kollegen noch nicht alle in Circles aktiv. Im Moment arbeiten wir vor allem daran, Use Cases zu entwickeln, mit der wir die Methode als Social Learning-Ansatz weiter verbreiten können. Wir nutzen die Idee der Circles beispielsweise für die Einführung von Office 365. In selbstorganisierten Gruppen lernen Mitarbeiter so die neuen Tools kennen. Zudem denken wir gerade darüber nach, wie wir WOL als Methode im Rahmen unseres Future Learning-Ansatzes für die Train-the-Trainer-Ausbildung einsetzen können.

Bei unserem Hoffest wirst du eine Session anbieten zum Thema „Macht oder Ohnmacht? Welchen Einfluss kann WOL in Unternehmen haben“. Was glaubst du ganz generell? Was traust du der Bewegung zu?

Dadurch, dass Working Out Loud wie gesagt sowohl dem Unternehmen als auch dem Einzelnen dient, traue ich der Methode eine Menge zu. Für mich ganz persönlich ist es eine neue Form des Lernens und Arbeitens – die Frage ist, wie wir es schaffen, sie in bestehende Strukturen und vor allem in die Kultur zu integrieren bzw. diese auch zu verändern. Neben diesen Veränderungen ist WOL eine mächtige Methode, um Mitarbeiter – auch wenn die Begriffe überstrapaziert sind – zu enablen und zu empowern. Daher traue ich „Working Out Loud“, wenn es ausreichend vorangetrieben wird, eine Verschiebung der Macht in Organisationen zu – hin zum Mitarbeiter. Das heißt jedoch auch: mehr Selbstverantwortung für jeden Einzelnen!

Welche Gefahren siehst du in einem Konzern für eine WOL-Bewegung?

Gefahren sehe ich vor allem im unreflektierten Einsatz – durch das Unternehmen wie auch die Mitarbeiter. Für die Unternehmen gilt: Auch WOL ist kein Allheilmittel! Ohne ausreichendes Commitment aller, notwendige Kapazitäten und die richtigen Rahmenbedingungen bringt auch das beste Tool nichts. Aus diesem Grund haben wir ja auch die Working Out Loud Community of Practice (WOLCoP) gegründet. Dort tauschen wir uns darüber aus, welche Konzepte und Ideen wirkungsvoll sind und welche nicht gut funktionieren – und teilen diese Good Practices auch mit anderen Unternehmen, die sich auf den Weg in die neue Lern- und Arbeitswelt machen wollen.

Und auch für die Mitarbeiter gilt: Ein reines Abarbeiten der Circle Guides bringt keinem etwas. Die Teilnahme sollte immer freiwillig und intrinsisch motiviert erfolgen. Die Circle GUIDEs sind Vorschläge, die individuell angepasst werden können. Die Nutzung der Methode setzt daher Offenheit und Neugierde voraus – dadurch lernen Mitarbeiter ebenfalls, Verantwortung für ihre eigene Entwicklung zu übernehmen, auch einmal den Mut zu haben, etwas Neues auszuprobieren und zu experimentieren.

Welche Erwartungen hast du an deine erste Hoffest-Teilnahme?

Vor allem erwarte ich mir, selbst viele neue Dinge zu lernen und mich inspirieren zu lassen. Ein wesentlicher Antrieb für mich ist der Austausch mit spannenden Menschen. Ich möchte daher viele bekannte Gesichter wiedersehen aber auch Personen kennenlernen, mit denen ich mich bisher nur im virtuellen Kontext ausgetauscht habe.


Sebastian Hollmann ist einer der bekanntesten Blogger in der HR-Community und arbeitet bei Continental im Bereich HR-Strategie. 

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