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CO:X hat zur Blogparade aufgerufen zu einem schwierigen, aber spannenden Thema, das bislang noch wenig im Fokus gestanden hat: Vergütung in der neuen Arbeitswelt. Unter „#NewPay: Was verdienen wir eigentlich?“ sind alle, die was zu sagen haben, aufgerufen, einen Beitrag zu verfassen. Shiran Habekost von HRpepper Management Consultants ist dem Aufruf gefolgt.

Auch #NewPay muss die ungeklärte Frage beantworten, die es schon heute beim Thema Vergütung gibt: Wie gelingt endlich eine Kopplung an den wirklichen Wertbeitrag zum Unternehmenserfolg, sodass es nicht mehr darum geht, sich bestmöglich zu verkaufen? Damit sind auch große Fragen wie die nach mehr Gerechtigkeit verknüpft. Dennoch sollte die Diskussion um New Pay von der New-Work-Thematik befreit werden.

Von Shiran Habekost

Einen Blogbeitrag zum Thema NewPay, da wollte ich schon immer mal was zu schreiben, weil es mich umtreibt. Nicht als Angestellter, nicht als Konsument und Teilnehmer am Wirtschaftswahnsinn, sondern als neugieriger Senior Berater. Es ist nicht so einfach zu trennen, aber eins nach dem anderen.

Der Aufruf von Sven Franke und CO:X kommt da gerade recht und gibt der Idee, die im Kopf ist, nun auch die Gelegenheit, aufgeschrieben zu werden. NewPay, da geht es um crazy Geschichten: Gehalt ist (nicht) tabu; Titel, Entlohnungstransparenz, Gehälterselbstbestimmung, Leistungsvergütungen und dann noch diese „weiche“ Seite des Gehalts: Lob, Anerkennung, Identifikation, Gefühl etc. Natürlich sagt das was über Leistung und Arbeit aus – oder eben auch nicht. Allerdings ist das Thema NewPay auch ungefähr so lange im Gespräch wie ich arbeite: Schuster & Zingheim (1992) haben schon zu Beginn meiner Arbeitstätigkeit die Frage nach der Vergütungslogik untersucht. Also ganz so neu ist NewPay nicht. Oder vielleicht ist es aktuell, weil die verrückte neue Arbeitswelt alles aufmischt und Grundsätzliches zu Tage fördert?

Wenn ich mich im Gespräch darüber austausche, kommt mir eine Perspektive immer wieder viel zu kurz: die Frage nach der Beurteilung. Generell haben Gehälter immer etwas Irrationales. Wir kennen die Vorstandsgehälter von Konzerngrößen und wir haben Tarifverträge: Wir wissen, was ein Lehrer verdient und was man bekommt, wenn man in der Automobilindustrie ganz oben steht. Dazwischen ist und scheint alles möglich. Da höre ich von Gehältern auf Top-Management-Ebenen, die von 500 Tausend bis 1 Mio Euro pro Jahr gehen; da geht es um Autos, Boni, Stock Options, Betriebsrenten etc. Aber wie kommt es dazu, dass ein Vorstandsvorsitzender mit ruhigen Gewissen sagt: Ja, das bin ich wert! Wie laufen diese Verhandlungen ab und wer beurteilt die Gerechtigkeit einer Summe?

Einmal „High Performer“ immer „High Performer“

Eine – aus ganz persönlicher Sicht – Unsitte der vergangenen Jahre ist die Aufforderung bei der Bewerbung auf eine Stelle doch auch seine Gehaltsvorstellung anzugeben. Ist das schon Partizipation und New Work? Oder ist das einfach nur ein Verfahren, um die Kandidatenflut in den Griff zu bekommen? Als ich meinen Großeltern davon das erste Mal erzählte, meinten diese nur, dass das schon sehr frech sei: „Wie kann man denn die Leistung vor dem persönlichen Kennenlernen schon monetär quantifizieren?“ 1:0 Großeltern.

Über die Jahre kam aber noch ein anderer Aspekt dazu, der mich an diesen neuen Sitten zweifeln lässt: Die Kollegen, die sich selbst völlig überschätzen, neigten dazu – und da kommt der Empiriker in mir durch – schwache Leistungen abzuliefern (vgl. u.a. Dunning & Kruger, 1999). Aber es blieb nicht nur dabei, sondern es geht noch weiter: Hatten die Kollegen einmal die Vorgesetzten und Führungskräften davon überzeugt, dass sie „High Performer“ sind, so war es (fast) unmöglich, die Vorgesetzten von dieser Überzeugung wieder abzukriegen. Der mitschwingende Subtext ist dann: „Ich bekomme für meine Performance zu wenig.“ Da fragt man sich schon, was die Rolle von HRlern in solchen Situationen ist: Da kann man sagen, was man wollte, die einmal gefällte Beurteilung war und ist nicht zu revidieren – egal wie schwach die tatsächliche Performance war. Das alles ist wissenschaftlich bestens belegt (vgl. Anderson et al, 1980). Aber was hat das mit NewPay zu tun?

Lob und Anerkennung gibt es oben drauf

Aus meiner Sicht ganz einfach alles: Die anvisierten Ideen und Ziele – Transparenz und das impliziert Gerechtigkeit durch zum Beispiel neue Entlohnungsmodelle, Titel und Lob, Positionen etc. – stehen zur Diskussion. Bedeutet das: Wenn es um Gehalt geht, muss ich also nur überzeugen, nicht performen? Habe ich einmal überzeugt, wird meine Beurteilung immer positiver ausfallen als bei den Kollegen, die tatsächlich performen? Da mein Gehalt immer auch von der Beurteilung der Vorgesetzten abhängt, ist es wichtig, dass ich direkt viel zu weit oben ansetze und alle inneren Bedenken beiseite räume? Unterstützt und verstärkt wird mein Verhalten dann noch durch verstärkende Gruppeneffekte, die sich auf „Transparenz“ stützen (vgl.: Mercier & Sperber, 2017). Diese Gruppeneffekte sichern mir dann obendrein noch die softe Seite ab: Lob und Anerkennung. Wir wissen andererseits ja, dass wir Performance im Sinne von Leistungsmotivation nicht kaufen können. Intrinsische Motivation ist selbstgestützt, kann und wird durch monetäre Anreize sehr schnell kaputt gemacht (vgl. u.a. Deci & Ryan, 1985). Allerdings ist genau diese Motivation der Schlüssel zu hoher Performance.

Für mich sollte die Frage nach NewPay nicht in die gleiche Diskussion wie New Work geworfen werden, sondern eher als Gegengewicht stehen – ganz im Sinne der Empirie. Valides statistisches Denken kann helfen, den oben dargestellten Tendenzen entgegenzuwirken: Kausale Zusammenhänge wie die „Frage nach der Gehaltsvorstellung“ darf und kann nicht mit der „Performance“ verknüpft werden. Vielmehr geht es um die Frage, ob Passung besteht und ob der Beitrag des Mitarbeiters im Sinne der Organisation ist. Wohl gemerkt: der Organisation und nicht deren kurzfristiger Ziele. Erst danach stellt sich die Frage der Beurteilung. Es ist an der Zeit, dass wir auf Zusammenhänge ganzheitlich schauen, nicht mehr in „Wenn/Dann-Ketten“: Wir leben und arbeiten auch zukünftig in Systemwelten und NewPay hat die Chance der soziale Katalysator zu werden – und nicht der Grabenschaffer. Reflektiert man das vor dem Hintergrund des kontinuierlichen Abbaus des Sozialstaates, so wird die Frage, die wirklich wichtig ist, noch dringlicher: Gerechtigkeit, Zugehörigkeit und Anerkennung. Damit wird klar: Mit NewPay, so wie es heute zur Diskussion steht, haben wir ein Werkzeug in der Hand, dass weitreichender ist, als es das Buzzword vermuten lässt – oder andersherum gefragt: Schaffen wir, dank NewPay, auch die anvisierten Ziele wie Gerechtigkeit und Transparenz?

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