HR Pepper Team 08/09-2017

New Work ist der zusammenfassende Begriff für eine neue Art zu arbeiten: orientiert an den Menschen und ihren Bedürfnissen – selbstbestimmt und auf Augenhöhe. Hannah Rauterberg beschäftigt sich intensiv mit der New-Work-Idee. Im Interview erklärt die HRpepper-Beraterin, warum es so wichtig ist, dass Mitarbeiter in ein neues Erleben kommen.   

Hannah, der Begriff New Work ist in aller Munde, zum Teil wird er etwas überstrapaziert. Was bedeutet der Begriff für Dich?
New Work steht für mich für die notwendige Verknüpfung aus radikaler Nutzen- und Nutzerorientierung einerseits und die Ermöglichung des Einzelnen, sich auch im Arbeitskontext als Mensch zu zeigen andererseits – eine Verbindung des vermeintlichen Widerspruchs individueller und organisationaler Wirksamkeit. Getrieben durch externe Trends wie Digitalisierung oder Wertewandel erleben wir auf der einen Seite im organisationalen Kontext zudem den Bedarf, schnellere Entscheidungslogiken und effiziente Arbeitsweisen zu etablieren. Zum anderen gilt es, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen der Mensch sein volles Potenzial einbringen kann. Auch ein entsprechendes Mindset ist dafür nötig.

Ganz allgemein gefragt: Wie „menschlich“ zeigt sich Arbeit deiner Beobachtung nach heute?
Wenn Du damit meinst, inwieweit Arbeit an den menschlichen Bedürfnissen ausgerichtet ist, ergibt sich ein differenziertes Bild. Ich habe das Gefühl, dass es hier zu einer Aufspaltung in der Gesellschaft kommen könnte. Auf der einen Seite entstehen unter dem Begriff „New Work“ neue Formen der Zusammenarbeit, die den Menschen in den Fokus rücken. Dabei geht es sowohl um individuelle als auch organisationale Potenzialentfaltung. Auf der anderen Seite nehmen atypische Beschäftigungsverhältnisse, wie zum Beispiel Zeitarbeit oder befristete Verträge, immer mehr zu. Das hat sicherlich wenig mit Menschlichkeit zu tun. Leider herrscht zumindest aus meiner Perspektive vielerorts der Irrglaube, dass New Work nur etwas für wissensintensive Branchen sei. Es gibt aber auch schon heute  Organisationen im produzierenden oder Dienstleitungsgewerbe, in denen neue Formen der Zusammenarbeit gelebt werden und die sowohl individuelle Zufriedenheit als auch organisationalen Erfolg stärken.

Führung, Technologie, Bürogestaltung: Welche Dimensionen sind Deiner Beobachtung nach die wichtigsten Stellhebel dieser neuen Art zu arbeiten?
Diese neue Art zu arbeiten geht mit einem Kulturwandel einher und zeigt sich an diversen Artefakten: Entscheidungslogiken, die uns erlauben, schneller auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren; ein anderes Führungs- und Steuerungsverständnis, das verteilte Führung und breitere Verantwortungsübernahme unterstützt; einer Raumgestaltung, die vertikale Kommunikation und Austausch von Wissen fördert oder hierarchie- und bereichs- übergreifendes Denken auch räumlich abbildet. Und natürlich gehören dazu ebenso digitale Tools, die eine vertikale, zeit- und ortsunabhängige Kommunikation ermöglichen.

 

Ein erster Schritt kann die Gestaltung kleiner Kulturartefakte sein

Leider erfolgt jedoch mit der Einführung neuer Technologien oder Methoden noch lange kein Kulturwandel, sondern erst, wenn Mitarbeiter tatsächlich in ein neues Erleben kommen. Ein guter erster Schritt kann die Gestaltung kleiner erlebbare Kutlurartefakte sein, wie zum Beispiel das neu gestaltete Meeting oder der Kreativraum, in dem ich ausprobieren darf und nicht an üblichen Maßstäben gemessen werde. Die genannten Faktoren müssen jedoch ganzheitlich betrachtet werden. Zudem stellt sich immer die Frage, was mit der Veränderung eigentlich erreicht werden soll.
Schlussendlich geht diese neue Art zu arbeiten mit einem veränderten Menschenbild einher. Es basiert auf der Grundannahme, dass jeder Mensch das Potenzial und den Willen mitbringt, im Sinne der Organisation mitzugestalten. Wer an seinem Menschenbild nicht arbeiten mag, wird sich schwertun, agile Arbeitsweisen einzuführen und Mitarbeiter dazu zu bringen, mitunternehmerisch zu agieren.

Teil der neuen Arbeitswelt ist ebenfalls, dass wir nicht mehr auf Vorrat lernen, sondern wir uns kontinuierlich weiterentwickeln müssen. Wie wird sich konkret Lernen in Organisationen verändern?
Damit bringst Du es schon ganz gut auf den Punkt. Weg vom Gießkannen-Lernen hin zum bedarfsorientierten, selbstgesteuerten Lernen. Der Lernende selbst weiß am besten, was er oder sie braucht, um gut arbeiten zu können. Transaktives Wissen, das heißt, das Wissen darüber, was ich nicht weiß und wer es wissen könnte, wird in Zeiten dieser immensen Komplexitätszunahme immer wichtiger. Dadurch rückt das Netzwerken als Lernform noch mehr in den Vordergrund.
Für die reine Wissensvermittlung habe ich als Lernender inzwischen ja zahlreiche kostenfreie, qualitativ hochwertige Kanäle zur Verfügung. Die Unterscheidung zwischen wissensvermittelnden Lernformaten und Austauschformaten wird sicherlich noch differenzierter vorgenommen und entsprechend analog oder digital abgebildet.

Die Fragen stellte Jan C. Weilbacher 

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