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Bericht vom zweiten Römischen Forum zur Enzyklika Laudato Si

Mit dem Flugzeug nach Rom zu fliegen ist wahrscheinlich nicht ganz im Geiste des Themas, was es zu verhandeln ging. Aber die ewige Stadt Rom mit ihrer jahrtausendalten Geschichte, der an jeder Ecke erfahrbaren Spiritualität, der imposanten Tagungslocation und das Wohnen inmitten des Vatikans im Gästehaus der Kardinäle mit dem Papst unter einem Dach und mit Glück auch am Nachbartisch beim Essen, verleiht ihm das Gewicht, was es braucht.

Von Dr. Matthias Meifert

Peter Kurth, der Präsident des BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V. hatte gerufen, um zum zweiten Mal nach 2018 wichtige Protagonisten der deutschen Wirtschaft im Vatikan zu versammeln, das Thema „Nachhaltigkeit“ auf Grundlage der päpstlichen Enzyklika Laudato Si zu diskutieren. In der Einladung zu dieser außergewöhnlichen Reise in den Vatikan heißt es, offensichtlich wie nie, dränge die Frage der Bewahrung der Schöpfung mit immer mehr Nachdruck auf die politische Agenda und damit auch in die Planungen vieler Unternehmen und Unternehmer:innen. Die Teilnehmerliste liest sich wie das Who ist Who der deutschen (Familien)Unternehmer:innen. Sie treffen auf Vertreter:innen aus Wissenschaft, Kirche, Verbände und Beratungsunternehmen wie u.a. den bedeutenden Kardinal Peter Turkson, dem Kenner bereits attestieren, dass er wo möglich der nächste Papst werden könnte, Prof. Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdamer Klimainstitut, der ein enger Berater von der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der deutschen Bundeskanzlerin ist sowie Prof. Martin Stuchtey, einer der weltweit profiliertesten Vertreter einer umfassenden Circular Economy.

Holz ist der Rohstoff der Zukunft

Den Auftakt bildet eine höchst nachdenkliche Perspektive von Albrecht Freiherr von Boeselager, Großkanzler und Minister für auswärtige Angelegenheiten des Souveränen Malteserordens zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Migrationsbewegungen in der Welt und ganz speziell in Europa. Er mahnt eindringlich, dass unterlassene Klimapolitik auf´s engste mit Flüchtlingsströmen verbunden ist. An der Abendlocation der Villa Miani angekommen macht Prof. Schellnhuber, Director Emeritus of the Potsdam Institute for Climate Impact Research (PIK), Potsdam klar, dass die größte Herausforderung für das Klima in der Art und Weise zu sehen ist, wie wir in den Industriegessellschaften bauen und wirbt für das „Bauhaus der Erde“. Es geht darum, mit Holz zu bauen und zwar im großen, im planetaren Maßstab. Auf der ganzen Welt soll Holz den Baustoff Beton ersetzen. Im Holz ist der Kohlenstoff aus CO2 gespeichert, den ein Baum im Laufe seines Lebens aus der Luft gefiltert hat. Verbaut man das Holz, dann bleibt eine Menge Kohlenstoff dem natürlichen Kohlenstoffkreislauf auf Dauer entzogen. Eine sogenannte Kohlenstoff-Senke entsteht. Schellnhuber nennt sein Prinzip die “Wald-Bau-Pumpe”: “Mit jeder Neuanpflanzung, mit jedem neuen Aufwuchs kann ich das Schwung-Rad wieder neu bewegen. Die Pumpe nochmal betätigen. Und noch mehr Gebäude, Infrastrukturen aus organischen Materialien schaffen.”

Good products. Good jobs. Good profits.

Am nächsten Morgen spricht eine der gewichtigsten Stimmen des Vatikans S.E. Peter K. A. Kardinal Turkson zur „Ökologie und Ökonomie im Lichte der päpstlichen Enzyklika Laudato si. Er redet allen Teilnehmer:innen ins Gewissen und macht ihnen Mut, denn wir alle wären „Creator of God“. In diesem Sinne heißt nachhaltiges Handeln als Unternehmer für „good products, good jobs and good profits“ zu sorgen. Als Jemand der viel mit Personalverantwortlichen in Organisation zu tun hat, wird mir unmittelbar noch einmal vor Augen geführt, welche Verantwortung wir als Profession haben. Was heißt „good jobs“ konkret? Wie sieht ein nachhaltiges Personalmanagement aus? Können Analogien der Kreislaufwirtschaft auch auf die Menschen in Organisationen übertragen werden? An anderer Stelle werde ich den Versuch wagen, unter diesen Eindrücken die Umrisse eines nachhaltigen Personalmanagements zu zeichnen.

Es folgen Berichte aus verschiedenen Industrien bspw. des Verbandes der chemischen Industrie, der Kirchoff Group und Schoeller Holding, die Mut machen. Trotzdem sind auch immer wieder mannigfaltige Zielkonflikte und -ambivalenzen zu besichtigen, die sich in der Praxis als erhebliche Herausforderungen erweisen können. Einig sind sich alle darin, dass es auf jeden Einzelnen ankommt, jede und jeder ist in der Verantwortung zu handeln.

Besonders ergriffen sind die Teilnehmenden als Rebeka Trienekens-Domrös von ihrem Projekt der Gejja Woman Foundation in Uganda berichtet. Fehlende Aufklärung und mangelnde Monatshygieneprodukte führen dazu, dass junge Frauen früh die Schule abbrechen und durchschnittliche fünf Kinder gebären. Das Projekt hilft diesen Frauen eine Chance zu geben und leistet so einen Beitrag zur Nachhaltigkeit. Der Abend klingt mit einem festlichen Dinner in der Galleria Colonna aus mit faszinierenden Einblicken von Kardinal Walter Brandmüller in die lebhafte Kirchengeschichte.

Unser Planet kollabiert am ressourcenintensiven Wachstum

Es folgen am nächsten Tag weitere Anstöße und Inspirationen aus der Praxis. Beispielsweise spricht Martin Schmitz, langjähriger CEO der RWE und Joachim Goldbeck von Goldbeck Solar. In einem dichten, energetischen Vortrag fasst Prof. Stuchtey die Tagung zusammen. „Das wirtschaftliche System war lange blind für die ökologischen Grenzen des Wachstums – auch weil die Ressourcen unendlich schienen.“ Was in den 1960ern und 1970ern zu Wirtschaftswunder-Zeiten funktioniert hat, ist heute zu viel für unsere Erde. Unser Planet kollabiert unter der Last des ressourcenintensiven Wachstums der reicheren Länder und unter dem Bevölkerungswachstum vor allem in Asien und Afrika. Stuchtey bringt es am Ende auf den Punkt: „Wir wachsen uns arm!“ und redet allen Akteuren ins Gewissen aktiv zu werden. Es bleibt nicht bei einem einfachen Appell, sondern zeigt anhand von fünf Punkten konkret auf, was jeder Unternehmer dazu beitragen kann.

Voller Eindrücke, Inspirationen, Mut zur Veränderung aber auch der klaren Einsicht, Teil der notwendigen Transformation sein zu müssen, reisen die Teilnehmenden ab. Schön, dass im Nachgang zum I. Römischen Forum bereits viel umgesetzt wurde. Der Malteserorden kann bspw. davon berichten, dass er ab 2022 bereits klimaneutral sein wird. Ich bin mir sicher, dass auch das zweite Forum ihre Wirkung entfalten wird.

Danke Peter Kurth.
Danke Hubertus Zilkens.
Danke den bereichernden Gespächspartner:innen.
Danke, dass wir diese Lernerfahrung miteinander teilen durften.