Im Interview erläutert HRpepper-Partnerin Ruth Lassalle, welche Bedeutung diagnostische Verfahren heute haben, welche Trends sie in dem Bereich wahrnimmt und warum Analyseverfahren erlebnisorientiert gestaltet werden sollten.
Ruth, ganz allgemein gefragt: Welche Rolle spielen Diagnostik-Instrumente heute im Personalmanagement?
Eine ganz zentrale. Augenscheinlich ist es erfolgskritisch, dass die richtigen Menschen auf den für sie richtigen Stellen in einer Organisation tätig sind. Valide Personaldiagnostik leistet dafür die Grundlage. Es ist auch wissenschaftlich erwiesen, dass sie einen großen Hebel auf die unternehmerische Performance hat.
Allerdings erleben wir, dass sich Anforderungen und Kompetenzen in einer dynamischen Arbeitswelt laufend verändern. Diagnostische Instrumente sind deshalb immer nur so gut, wie sie diese Anforderungen und Kompetenzen richtig abbilden. Wenn das aber gelingt und auf Basis strategischer Setzungen die richtigen Personen gefunden und die richtigen Talente erkannt werden, leisten diagnostische Instrumente einen entscheidenden Mehrwert – das gilt sowohl für den Einsatz im Bereich der Personalauswahl als auch der Personalentwicklung.
Welche Kombination an Instrumenten weist in der Regel die größte Validität auf, wenn es beispielsweise um Potenzialanalysen geht?
Ich denke, man sollte hier nicht nur in Instrumenten, sondern auch in Kompetenzen bzw. Personeneigenschaften denken. Generell sind validierte Testverfahren und Interviews eine gute Mischung. Aber wenn wir nicht das Richtige damit erfassen, können wir es sehr valide machen, ohne dass uns das Ergebnis wirklich hilft. Es gibt da den verbreiteten Spruch „Garbage in, garbage out“. Gute Potenzialaussagen können wir machen, wenn wir uns kognitive Leistungsfähigkeit, Leistungsmotiv, Reflektionsvermögen und Veränderungsbereitschaft ansehen. Die Wahl der Instrumente hängt dann auch von Rahmenbedingungen und nicht zuletzt Akzeptanzüberlegungen ab. Zum Beispiel sind Intelligenztests sehr valide, aber im deutschen Kulturraum im Vergleich zu den USA bei Teilnehmern sehr unbeliebt. ACs und Interviews dagegen haben eine sehr hohe Akzeptanz bei Teilnehmern. Aus diesen Gründen nutzen wir meist multimodale Verfahren, die eine Kombination aus verschiedenen Verfahren sind – zum Beispiel Interviewsequenzen, Verhaltensproben und Persönlichkeitsfragebögen.
Welche Trends nimmst du derzeit im Bereich der diagnostischen Verfahren Erfahrungen in den Unternehmen wahr?
Ein wichtiges Thema ist Digitalisierung, eine sich verändernde Arbeitswelt und damit einhergehend die Frage, ob wir in der VUCA-Welt neue oder andere Kompetenzen brauchen. Der Diskurs ist in vollem Gange und die Positionen durchaus unterschiedlich. Von evidenzbasierten Aussagen sind wir hier noch entfernt. Vielleicht ein Grund für die zunehmend stärkere Konzentration auf funktionsübergreifende Potenzialindikatoren und die innere Haltung statt auf tätigkeitsspezifische Kompetenzen oder Fachwissen, das sich aufbauen lässt.
Natürlich spielt Digitalisierung auch eine Rolle in der Diagnostik selbst. Nutzung von Informationen aus den sozialen Netzwerken, Big Data und Sprachanalysen sind Beispiele für Trendthemen, die aber noch kaum eine Rolle in der Praxis spielen. Außerdem erleben wir, dass im Rahmen der diagnostischen Verfahren die Perspektive der Teilnehmer mittlerweile eine stärkere Bedeutung hat. Wir arbeiten mit unseren Kunden an Verfahren, die wirkliche Lernchancen darstellen, Erlebnisse generieren und von den Teilnehmern als Mehrwert empfunden werden. Bei HRpepper betrachten wir auch den symbolischen Charakter des Einsatzes von Personaldiagnostik sowie die kulturelle Wirkung des Prozesses und des Umgangs mir den Ergebnissen.
Wie Du sagst, hat HRpepper sich auf die Fahnen geschrieben, Assessment Center und andere Analyseverfahren so zu gestalten, dass sie eine gewisse Erlebnisorientierung bieten und dem Teilnehmer auf Augenhöhe und wertschätzend begegnet wird. Woran lässt sich das konkret festmachen?
Bei der Erlebnisorientierung geht es darum, für alle Beteiligten ein positives Erlebnis zu kreieren, das auf eine gute “Candidate Experience” einzahlt. Gerade das individuelle Erleben der Teilnehmer gewinnt zunehmend an Bedeutung, unter anderem weil es für Unternehmen schwieriger wird, geeignete Fachkräfte zu finden und die besten Köpfe für sich zu gewinnen oder zu binden.
Transparenz, wertschätzender Umgang, möglichst viel Augenhöhe und Lernchancen bereits im Verfahren sind Bestimmungsstücke dieser Erlebnisorientierung. Wir plädieren dafür, vor oder zu Beginn des Verfahrens die Anforderungen, Kompetenzen und Elemente zu kommunizieren. So haben wir beispielsweise schon vorab klargemacht, was genau wir im Rahmen eines Auswahltages unter „Digitalkompetenz“ verstehen und dass wir diese unter anderem in einem Rapid Prototyping beobachten wollen.
Ein weiteres Beispiel ist ein Kennenlernen von Teilnehmern und Beobachtern im Speed-Format. Es dient dazu, von vornherein eine wohlwollende offene Atmosphäre zu schaffen. Des weiteren versuchen wir, Lernen anzustoßen. So kann zum Beispiel bei einem AC für Nachwuchsführungskräfte eine „Tool-Tankstelle“ zur Verfügung gestellt werden, in der die für die angestrebte Position relevanten Inhalte aufbereitet und in Form von kleinen Videos, Kurzbeschreibungen oder als Anschauungsmaterial bereitgestellt werden.
Ruth, ganz allgemein gefragt: Welche Rolle spielen Diagnostik-Instrumente heute im Personalmanagement?
Eine ganz zentrale. Augenscheinlich ist es erfolgskritisch, dass die richtigen Menschen auf den für sie richtigen Stellen in einer Organisation tätig sind. Valide Personaldiagnostik leistet dafür die Grundlage. Es ist auch wissenschaftlich erwiesen, dass sie einen großen Hebel auf die unternehmerische Performance hat.
Allerdings erleben wir, dass sich Anforderungen und Kompetenzen in einer dynamischen Arbeitswelt laufend verändern. Diagnostische Instrumente sind deshalb immer nur so gut, wie sie diese Anforderungen und Kompetenzen richtig abbilden. Wenn das aber gelingt und auf Basis strategischer Setzungen die richtigen Personen gefunden und die richtigen Talente erkannt werden, leisten diagnostische Instrumente einen entscheidenden Mehrwert – das gilt sowohl für den Einsatz im Bereich der Personalauswahl als auch der Personalentwicklung.
Welche Kombination an Instrumenten weist in der Regel die größte Validität auf, wenn es beispielsweise um Potenzialanalysen geht?
Ich denke, man sollte hier nicht nur in Instrumenten, sondern auch in Kompetenzen bzw. Personeneigenschaften denken. Generell sind validierte Testverfahren und Interviews eine gute Mischung. Aber wenn wir nicht das Richtige damit erfassen, können wir es sehr valide machen, ohne dass uns das Ergebnis wirklich hilft. Es gibt da den verbreiteten Spruch „Garbage in, garbage out“. Gute Potenzialaussagen können wir machen, wenn wir uns kognitive Leistungsfähigkeit, Leistungsmotiv, Reflektionsvermögen und Veränderungsbereitschaft ansehen. Die Wahl der Instrumente hängt dann auch von Rahmenbedingungen und nicht zuletzt Akzeptanzüberlegungen ab. Zum Beispiel sind Intelligenztests sehr valide, aber im deutschen Kulturraum im Vergleich zu den USA bei Teilnehmern sehr unbeliebt. ACs und Interviews dagegen haben eine sehr hohe Akzeptanz bei Teilnehmern. Aus diesen Gründen nutzen wir meist multimodale Verfahren, die eine Kombination aus verschiedenen Verfahren sind – zum Beispiel Interviewsequenzen, Verhaltensproben und Persönlichkeitsfragebögen.
Die Perspektive der Teilnehmer hat an Bedeutung gewonnen
Und welche Trends nimmst du derzeit im Bereich der diagnostischen Verfahren Erfahrungen in den Unternehmen wahr?
Ein wichtiges Thema ist Digitalisierung, eine sich verändernde Arbeitswelt und damit einhergehend die Frage, ob wir in der VUCA-Welt neue oder andere Kompetenzen brauchen. Der Diskurs ist in vollem Gange und die Positionen durchaus unterschiedlich. Von evidenzbasierten Aussagen sind wir hier noch entfernt. Vielleicht ein Grund für die zunehmend stärkere Konzentration auf funktionsübergreifende Potenzialindikatoren und die innere Haltung statt auf tätigkeitsspezifische Kompetenzen oder Fachwissen, das sich aufbauen lässt.
Natürlich spielt Digitalisierung auch eine Rolle in der Diagnostik selbst. Nutzung von Informationen aus den sozialen Netzwerken, Big Data und Sprachanalysen sind Beispiele für Trendthemen, die aber noch kaum eine Rolle in der Praxis spielen. Außerdem erleben wir, dass im Rahmen der diagnostischen Verfahren die Perspektive der Teilnehmer mittlerweile eine stärkere Bedeutung hat. Wir arbeiten mit unseren Kunden an Verfahren, die wirkliche Lernchancen darstellen, Erlebnisse generieren und von den Teilnehmern als Mehrwert empfunden werden. Bei HRpepper betrachten wir auch den symbolischen Charakter des Einsatzes von Personaldiagnostik sowie die kulturelle Wirkung des Prozesses und des Umgangs mir den Ergebnissen.
Wie Du sagst, hat HRpepper sich auf die Fahnen geschrieben, Assessment Center und andere Analyseverfahren so zu gestalten, dass sie eine gewisse Erlebnisorientierung bieten und dem Teilnehmer auf Augenhöhe und wertschätzend begegnet wird. Woran lässt sich das konkret festmachen?
Bei der Erlebnisorientierung geht es darum, für alle Beteiligten ein positives Erlebnis zu kreieren, das auf eine gute “Candidate Experience” einzahlt. Gerade das individuelle Erleben der Teilnehmer gewinnt zunehmend an Bedeutung, unter anderem weil es für Unternehmen schwieriger wird, geeignete Fachkräfte zu finden und die besten Köpfe für sich zu gewinnen oder zu binden.
Transparenz, wertschätzender Umgang, möglichst viel Augenhöhe und Lernchancen bereits im Verfahren sind Bestimmungsstücke dieser Erlebnisorientierung. Wir plädieren dafür, vor oder zu Beginn des Verfahrens die Anforderungen, Kompetenzen und Elemente zu kommunizieren. So haben wir beispielsweise schon vorab klargemacht, was genau wir im Rahmen eines Auswahltages unter „Digitalkompetenz“ verstehen und dass wir diese unter anderem in einem Rapid Prototyping beobachten wollen.
Ein weiteres Beispiel ist ein Kennenlernen von Teilnehmern und Beobachtern im Speed-Format. Es dient dazu, von vornherein eine wohlwollende offene Atmosphäre zu schaffen. Des weiteren versuchen wir, Lernen anzustoßen. So kann zum Beispiel bei einem AC für Nachwuchsführungskräfte eine „Tool-Tankstelle“ zur Verfügung gestellt werden, in der die für die angestrebte Position relevanten Inhalte aufbereitet und in Form von kleinen Videos, Kurzbeschreibungen oder als Anschauungsmaterial bereitgestellt werden.
Mit kritischem Blick die Trends beobachten
Das Arbeiten auf Basis von wissenschaftlicher Evidenz ist ein grundlegendes Prinzip, das die Beratung von HRpepper prägt. Gerade in Eurem Bereich der Diagnostik scheint sie mir ganz besonders wichtig zu sein. Wie stellt Ihr bei Eurem Vorgehen diese wissenschaftliche Evidenz sicher?
Zum Glück ist wissenschaftliche Evidenz nicht nur besonders wichtig, sondern im Bereich der Personaldiagnostik auch ausreichend vorhanden. Welcher Bereich kann sich in seiner Arbeit schon auf eine DIN beziehen? Diese definiert Qualitätsstandards, die wir selbstverständlich umsetzen. Daneben setzen wir nur Instrumente und Testverfahren ein, die wissenschaftlich fundiert sind. Beispielsweise gibt es eine große Bandbreite online-basierter Testverfahren. Hier gilt es, mit kritischem Blick die Trends der Diagnostik zu beobachten und jederzeit neben klassischen Testgütekriterien auch inkrementelle Validität, Utility und Candidate Experience mitzudenken. Das beinhaltet natürlich, sich hinsichtlich neuer Forschungsergebnisse und wissenschaftlicher Veröffentlichungen auf dem neusten Stand zu halten.
Du hast Psychologie studiert und darin promoviert. Was war Dein Promotionsthema?
„Kontrafaktisches Denken beim Erwerb komplexer Fertigkeiten“. Klingt zwar abstrakt, war aber sehr praktisch. Ich habe am Beispiel von Landeanflügen untersucht, ob Menschen besser eine Aufgabe lernen, wenn sie nach einer Übung nicht darüber nachdenken, was gut oder schlecht war, sondern darüber was gewesen wäre, wenn….
Wieso gerade ein solches Thema?
Fertigkeitserwerb ist ein wichtiges Thema in der Arbeits- und Organisationspsychologie und ich habe mich für den damit einhergehenden Aufbau mentaler Modelle interessiert, der durch kontrafaktisches Denken besonders gefördert werden soll. Zudem war es für mich großartig, eine Arbeit im Luftfahrtkontext schreiben zu können. Seit meiner Zeit als Flugbegleiterin habe ich eine gewisse Leidenschaft für die Luftfahrt, die mich viele Jahre an der Hochschule und später auch in Projekten bei HRpepper begleitet hat.