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Wer ein neues Betriebssystem in seiner Organisation einziehen lässt, der braucht Mut, Zuversicht und eine riesige Portion Vertrauen. Wir haben uns vor knapp drei Jahren auf die Reise gemacht, klassische Hierarchien und Führungskonzepte abzuschaffen. Was heute in unserer Organisation mit Kreislogiken und Nominationsprozessen so selbstverständlich daherkommt, war Arbeit. Viel Arbeit. Insbesondere war es eine Arbeit an mir selbst.

Von Matthias Meifert

Bevor wir uns auf den Weg machten, HRpepper in eine Welt zu verwandeln, in der selbstbestimmtes Arbeiten Key ist, machten wir uns viele Gedanken und lasen begierig Laloux. Was er da so in seinem Buch „Reinventing Organizations“ schrieb, klang super und fast zu schön, um wahr zu sein. Besonders seine dringende Empfehlung an die Spitzenführungskräfte „Raum zu halten“ brannte sich tief in meine Erinnerung ein. Gemeint ist, dass es insbesondere die Vorstände und Geschäftsführer sein müssen, die dem Neuen den Rücken stärken. Nur so kann ein drohendes Zurückfedern der Organisation in alte Muster vermieden werden. Nur so kann die Zuversicht wachsen, dass wir das Richtige tun. Nun, das ist leichter gesagt als getan. Denn der Zweifel ist ein zäher Bursche. Er begleitet mich.

Meine berufliche Sozialisation habe ich in einer Großbank und Unternehmensberatung erfahren. Ich habe gelernt, wie bedeutsam Status ist. Gute Schuhe, teure Uhren, kraftvolle Dienstwagen und Anzüge waren unerlässlich. Mir wurde schmerzhaft beigebracht, wie Machtsysteme funktionieren und wie ich mich angemessen zu verhalten habe. An das eine oder andere Kritikgespräch in meiner Bankkarriere um 7.00 Uhr morgens erinnere mich gut, aber nicht gerne. Wer nicht passte, wurde halt passend gemacht, war die klare Botschaft. Dass es im Berufsleben viel um Konkurrenz geht und meistens um instrumentelle Kooperation, habe ich immer wieder vorgelebt bekommen. Erst Jahre späte habe ich verstanden, wie „erfolgreich“ all diese Sozialisationserfahrungen waren und wie die „Deformation Professionelle“ auch bei mir bereits eingesetzt hatte. So ein Typ wie ich soll nun den Raum halten für selbstbestimmtes Arbeiten? Sich zurücknehmen und zulassen? Eigene Ungeduld und Ambition zurückstellen? Ziemlich aussichtlos.

Es kam anders. Ich kann nur Allen dankbar sein, dass sie sich trotz meiner Sozialisation mit mir auf eine Reise gemacht haben, um HRpepper zu einem sehr speziellen Ort zu machen. Einem Ort an dem Menschen nicht nur gerne sondern in hohem Maße selbstbestimmt arbeiten. An dem herausragende Mitarbeitererlebnisse mit Kundenerlebnissen verknüpft sind und vice versa. In dem die Organisation aus der Mitte heraus geführt wird und nicht von oben. Heute freuen wir uns nicht nur über die Anerkennungen, die von Kundenfeedbacks, Kununu-Bewertungen oder Great-Place-To-Work-Auszeichnungen ausgehen, sondern sind einfach auch nur happy miteinander. Wenn etwas Emotionales, Schönes oder Erfolgreiches eintritt denke ich manchmal bei mir: „Kneif mich mal, passiert das gerade wirklich?“. Pepper berichten mir, dass es gelungen ist, die Rolle des omnipräsenten Gründers etwas zurückzunehmen zugunsten von Anderen. Die Organisation überrascht sich häufig. Meistens positiv. Und trotzdem bleibt es ein permanentes Ringen mit dem zähen Burschen, dem Zweifel.

Denn kurz nach dem wir das Betriebssystem eingeführt hatten, gab es Schwierigkeiten. Mal lag ein Planungsfehler vor, mal wurden Formalia nicht richtig beachtet oder ein Betrüger aus England nicht rechtzeitig entlarvt. Auch wenn alle Fälle glimpflich für HRpepper ausgegangen sind, so haben sie doch immer wieder mein Vertrauen herausgefordert. Hätte ich mehr selbst hingucken müssen? Fehlt den nominierten Rolleninhabern Erfahrung? Haben wir uns eine überforderte Organisation gebaut? Das waren Fragen, die sich mir in den ersten Monaten immer wieder gestellt haben. Die Antwort lautet schlicht: „Ja“. Das Einführen einer neuen Organisation braucht Zeit – Zeit zum Lernen, Ankommen, Ausprobieren und Weiterentwickeln. In diesem Sinne sind Herausforderungen und Rückschläge völlig normal. Aber, seien wir ehrlich, das passiert auch in anderen Betriebssystemen. Auch wenn diese Einsicht mir kognitiv immer bewusst war, es ist trotzdem nicht einfach diesen Rest-Zweifel auszuhalten. Drei Jahre später kann ich sagen: Es hat sich gelohnt, zu vertrauen. Einfach war es nicht. Aber wenn es einfach gewesen wäre, hätte es ja auch jeder gekonnt. Daher: Auf geht´s. Nur Mut. Und mit dem zähen Burschen, dem Zweifel, kommt man schon klar, wenn man an Menschen glaubt.

P.S.: Ich danke allen Peppers sehr, die diese Reise ermöglichen und mitmachen. Mein besonderer Dank gilt Anne Haker, Hannah Rauterberg und Christian Völkl. Ihr habt mir die Sehnsucht nach der anderen Organisation gelehrt.