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Zum Sinn und Unsinn von Mitarbeiter:in-werben-Mitarbeiter:in-Programmen

Von Dr. Matthias Meifert

Nach einer aktuellen Studie von firstbird sind Mitarbeiter:in-werben-Mitarbeiter:in-Programme äußerst beliebt. So geben 72% der 350 befragten Unternehmen an, dass sie diese nutzen. Angesichts eines erhöhten Fluktuationsgeschehen in nahezu allen Organisationen, dem verschärften Ringen um Talente und einem um sich greifenden Fachkräftemangel überrascht der Befund nicht. Was jedoch an den Ergebnissen der Befragung mehr als bemerkenswert ist, dass von diesen Organisationen nahezu alle, genau genommen 92%, Bargeldprämien für eine erfolgreiche Empfehlung bzw. Vermittlung an die Mitarbeiter:innen auszahlen. Dabei spannen die Zuwendungen von 250 bis 5.000 Euro und belaufen sich im Mittel auf 501 bis 1.000 Euro. Vielleicht bin ich ein hoffnungsloser Business Romantiker, aber das ist nach meiner Auffassung ziemlich schräg und brandgefährlich.

Ich frage mich: Braucht es wirklich, einen transaktionalen Anreiz dafür, dass Organisationsmitglieder als Markenbotschafter auftreten? Reden Mitarbeiter:innen nur dann positiv über das Unternehmen, wenn Geldprämien winken? War es nicht das affektive (nicht kalkulative!) organisationale Commitment, was mit positiven Verhalten korreliert? Und wissen wir nicht aus vielfältigen Studien zuverlässig, dass Menschen schnell eine intrinsische Motivation verlieren, wenn sie exogen angereizt werden? Warum dann diese vermeintlichen Anreize?

Nun, ich gestehe, wir bitten die Mitarbeitenden von HRpepper auch um Empfehlungen. Wir würden aber nie im Traum darauf kommen, diese mit Geld zu vergiften. Vielmehr setzen wir darauf, dass alle Peppers ein großes Eigeninteresse daran haben, dass tolle Leute, vielleicht sogar Freunde, an Bord kommen. Mit dieser Strategie sind wir erfolgreich. Mitarbeiter:in-werben-Mitarbeiter:in-Programme haben absolut ihre Berechtigung und sind wirksam. Vorausgesetzt, sie werden nicht mit Geld verkleistert.

Denn das Problem ist ein größeres: Aus eigentlich gut gemeinten Motiven beschädigen wir erfolgreich unsere Organisationskultur. Wenn wir verantwortungsvoll Handeln wollen, dann verhindern wir diese trivialisierenden transaktionalen Anreize. Mit geldbewerten Mitarbeiter:in-werben-Mitarbeiter:in-Programmen fängt es an, geht über kleinteilige Sonderprämien, Kristallpokale für besondere Leistungen und endet in einem Ziel-Bonus-Fetisch. Wer von dieser Frucht kostet, muss sich nicht wundern, wenn am Ende nur noch eine Frage dominiert: „Was bekomme ich dafür?“. Das Unternehmen droht zu einem Ort zu mutieren, in dem selbstoptimierenden Söldnern wirken. Wollen wir das?

Ich bin gespannt, wie Ihr bzw. Sie diese Praktik bewerten und freue mich auf Kommentare.

Quelle: www.firstbird.com, Benchmark Studie 2021: Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter

Foto: Foto von Mathieu Stern auf Unsplash