Es gibt eine lebhafte Debatte darüber, wie HR die großen Herausforderungen der Zukunft bewältigen kann. Die Stichworte Digitalisierung, Neue Arbeit und Demografie fordern die Reaktionsmuster der Vergangenheit heraus. Analogien zu Innovationsprozessen sind hilfreich, um HR anders zu denken: Konsequent aus der Perspektive der Nutzer oder „Kunden“. Oder kurz von Außen nach Innen. Dabei hilft das neue Konzept des „Employee Experience Design“ – dazu ist Matthias Meifert im Gespräch mit Christian Völkl.

Drei Fragen an den EED-Vordenker Christian Völkl


Wie reagieren Deine Klienten auf das Konzept EED? Begeisterungsstürme oder Unverständnis?

Mit großem Interesse, aber durchaus auch mit Respekt. Ein Unternehmen im Markt mit Hilfe faszinierender Kundenerlebnisse erfolgreich zu positionieren, ist keine triviale Aufgabe. Das sieht man an Unternehmen wie Apple, die jeden Tag aufs Neue hart daran arbeiten müssen, ihre führende Position nicht zu verlieren.

Das gilt natürlich analog für die Innen-Perspektive: Mitarbeiter durch ausgezeichnete Erlebnisse für ein Unternehmen zu gewinnen und nachhaltig zu binden, ist eine der drängendsten Aufgaben, vor der die Personaler stehen. Wirksame Ideen sind da gerne gesehen.

Was ist anders an dem Konzept als an herkömmlichen Herangehensweisen?

Die meisten HR-Funktionen sind noch einer starken Prozesslogik verhaftet und betrachten ihre Arbeit entlang der klassischen Felder des Personalmanagements, wie bspw. Bedarfsbestimmung, Beschaffung etc. Das ist natürlich nicht falsch, folgt aber einer rein internen Umsetzungsperspektive.

Wenn ein Unternehmen langfristig erfolgreich sein möchte, stellt es sich vornehmlich die Frage, welche unentdeckten Kundenbedürfnisse es mit konkreten Produkten und Dienstleistungen bedienen kann. Die Frage nach den effizienten Produktionsprozessen ist zwar auch wichtig. Damit gewinnt man bloß keinen Kunden. Viel wichtiger ist es daher, welche Wertangebote ein Unternehmen seinen Kunden unterbreiten kann. Diese Wertangebote drücken sich immer häufiger durch Erlebnisse aus, weil simple Produkte vom Wettbewerb schnell kopiert werden. Das ist bei ganzheitlichen Kundenerlebnissen viel schwerer.

Schauen wir uns die dm-drogerie markt Kette an. Deren Zielgruppe sind u.a. junge Familien. Deswegen findet man auch in allen Läden eine Wickelkommode gut sichtbar platziert mitten im Shop. Deutlicher kann man die ganz grundlegenden Bedürfnisse seiner Kunden nicht ansprechen.

Solche Ideen bergen ganz viel Kraft für die Personalarbeit. Operative Exzellenz in der Personalarbeit ist eine Selbstverständlichkeit, aber beileibe keine Differenzierungsmöglichkeit, die Kundenbegeisterung hervorruft. Die eigentlichen Bedürfnisse der HR Kunden, d.h. der Mitarbeiter, Führungskräfte, Bewerber usw. zum Primat des eigenen Handelns zu machen, und diese effektiv und effizient zu bedienen, ist das Ziel, woran sich moderne HR Funktionen heutzutage orientieren.

Nehmen wir uns beispielsweise das Mitarbeitergespräch. In vielen Unternehmen ein jährliches Ritual, bei dem sich zwei intelligente Menschen zusammenfinden, um gemeinsam ein Formular auszufüllen. Vom Erlebnischarakter her ungefähr vergleichbar mit einem Zahnarztbesuch. Muss das wirklich so sein? Geht es nicht vielmehr -um im Bild zu bleiben- um das tägliche Zähneputzen, d.h. die Ausgestaltung eines kontinuierlichen Performance Dialogs, in dem Mitarbeiter und Führungskraft ihre Bedarfe nach Erwartungsklärung, Wertschätzung und Feedback sinnvoll befriedigt bekommen? Hier haben Personaler einen unglaublichen Gestaltungsspielraum, wenn sie sich aus der Pfadabhängigkeit ihrer Profession lösen und mit einem frischen Blick auf die Aufgabe ans Werk gehen.

Ein wenig Kaffesatzlesen: Wie wird sich das Thema aus Deiner Sicht weiterentwickeln?

Beständig vorwärts. Alle demografischen Entwicklungen sowie die großen Megatrends sprechen dafür, dass der Mensch mit seinen ganz unmittelbaren Bedürfnissen immer stärker in den Mittelpunkt des wirtschaftlichen Handelns rückt -auch auf einer globalen Ebene. Deswegen wird das Thema vielleicht nicht jeden Tag der Aufmacher sein, aber von der Titelseite verschwindet es so schnell nicht mehr.

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