New Work in Corona-Zeit

Wie wirken sich die Beschränkungen in der Corona-Krise auf moderne Arbeitsformen aus? Eine Befragung der energy factory St. Gallen gemeinsam mit HRpepper Management Consultants verdeutlicht, dass New Work-Maßnahmen zum digitalen Arbeiten aktuell stärker eingesetzt werden. Voraussetzungen für wirksame New Work-Praktiken sind eine Leadership- und Vertrauenskultur sowie die entsprechenden Haltungen an der Spitze von Unternehmen. Diese bleiben jedoch bisher nahezu unverändert.

Von Prof. Dr. Heike Bruch (Professorin für Leadership, Universität St. Gallen) & Dr. Matthias Meifert (Managing Partner & Gründer, HRpepper Management Consultants) – unter Mitwirkung des Forscherteams mit Fabian Möller (energy factory, St. Gallen) & Dr. Sarah Meeßen (HRpepper Management Consultants)

Die Corona-Krise hat die Arbeitswelt kurzfristig vor extreme Veränderungen gestellt. Aufgrund der Kontaktbeschränkung arbeiten viele Menschen nun in ungewohnter Umgebung: Sie sitzen im Home-Office, arbeiten virtuell und setzen intensiv digitale Technologien ein. Basierend auf dem Konzept der Universität St. Gallen zur Erfassung von New Work und New Culture (Bruch, Block & Färber, 2016) haben wir in einer Online Befragung untersucht, wie sich die Corona-Pandemie auf New Work und Kultur sowie auf Produktivität und Wohlbefinden der Mitarbeitenden auswirkt.

Unternehmen setzen verstärkt Maßnahmen zur virtuellen Arbeit und digitalen Kommunikation ein

Die Studie nutzt den Fragebogen zur Erfassung von New Work und Culture aus der New Work Forschung von Heike Bruch und Team (Bruch, Block & Färber, 2016). Es wurde dementsprechend gefragt, wie die acht Dimensionen von New Work und die sechs Dimensionen von New Culture vor der Corona-Krise ausgeprägt waren und wie sie sich aktuell unter der Corona-Krise darstellen (Bruch & Schuler, 2017). Die Ergebnisse zeigen einen starken Sprung bezogen auf New Work. Konkret wird unter den Corona-Beschränkungen signifikant mehr in virtuellen Teams interagiert und es werden vermehrt digitale Technologien und Kommunikationsmöglichkeiten eingesetzt (siehe Abbildung 1: New Work Index). Neben diesen technologisch-strukturellen Anpassungen in der Arbeitsgestaltung, die sich unmittelbar auf die Corona-bedingten Einschränkungen beziehen, werden nur geringe Intensivierungen moderner Arbeitsformen berichtet. Die Gestaltung von Arbeitszeit und -ort ist in der Krise etwas flexibler und die Zusammensetzung von Teams geringfügig fluider. Eine verstärkte Anpassung der Arbeit auf individuelle Bedürfnisse als Synonym für eine stärkere Selbstbestimmtheit des Mitarbeitenden zeigen die Ergebnisse hingegen nicht.

Das Arbeiten im Home-Office hat erwartungsgemäß deutlich zugenommen. Während derzeit mehr als die Hälfte der Befragten fünf Tage in der Woche von zu Hause arbeiten, waren es vor der Krise lediglich 4%. Auch Personen, die vor der Krise nie im Home-Office arbeiteten (30%), nutzen nun Home-Office. Nur noch 5% der Befragten arbeitet gar nicht von zu Hause aus. Ferner verteilt sich die Zeit, an der gearbeitet wird nun bei mehr Personen über die komplette Woche. Während vor der Krise nur 2% der Befragten sechs bis sieben Tage die Woche arbeiteten, sind es aktuell mehr als 10%.

Die Kultur der Unternehmen passt sich den veränderten Arbeitsbedingungen kaum an

Der New Culture Check mit seinen sechs Dimensionen (Bruch & Schuler, 2017) zeigt ein ganz anderes Bild: Rückmeldungen zur vorherrschenden Arbeitskultur vor und während der Corona-Krise verdeutlichen, dass die aktuell verstärkte New Work-Nutzung kaum durch kulturelle Veränderungen begleitet wird (siehe Abbildung 1: New Culture Index). So zeigen sich weder Unterschiede darin, wie stark inspirierend und visionär die Führung gestaltet ist, noch in der Ausprägung der Vertrauenskultur. Analog gibt es auch nur leichte Unterschiede in der Flexibilität der Strukturen, der Nutzung von agilen Methoden im Team sowie der Selbstkompetenz zur Arbeit in flexiblen Strukturen. Lediglich das Top-Management wird von den Befragten in der Krise etwas stärker als Vorbild für moderne Arbeitsformen wahrgenommen. Zu betonen ist hier allerdings ein eher geringer Gesamtdurchschnitt vor und während der Krise.

Die aktuelle Arbeitssituation bringt Personen teils an ihre Belastungsgrenze

Danach gefragt, wie sehr die aktuelle Arbeitssituation die Befragten an Ihre Grenzen bringt, berichten mehr als 20%, an ihrer Belastungsgrenze zu sein. Dabei scheinen weniger technische Bedingungen bei der Arbeit die Personen an ihre Grenzen zu bringen (10%), als vielmehr soziale Beziehungen auf der Arbeit (26%) (siehe Abbildung 2: Ergebnis Belastungsindex). Rund 11% der Befragten berichten ein geringes bis sehr geringes Wohlbefinden. Interessant ist, dass sich dabei keine nennenswerten Unterschiede bezogen auf das Wohlbefinden bei der Arbeit und außerhalb der Arbeit zeigen. Dieses Ergebnis ist außergewöhnlich und lässt sich dadurch erklären, dass zur Zeit Grenzen zwischen Arbeit und Privatem besonders stark verschwimmen.

Chancen werden nicht ausgeschöpft

Die Krise zeigt einen massiven Sprung in Richtung New Work. Neue Arbeitsnormen wurden inzwischen flächendeckend und signifikant stärker genutzt als vor der Corona-Zeit. Die Nachhaltigkeit dieser Veränderungen ist hingegen fraglich. So zeigt das aktuelle Bild durch den New Work & Culture Check (Bruch & Schuler, 2017), dass fast ausschließlich Veränderungen erfolgt sind, die zwangsläufiges Resultat der Corona-Beschränkungen sind: Der zwangsläufige Einsatz digitaler Technologien und Kommunikationsformen sowie Home-Office und virtuelle Zusammenarbeit.

New Work lebt jedoch davon, dass die Maßnahmen von einer inspirierenden und vertrauensbasierten Kultur getragen werden. Nur dann können Menschen in ihrer Arbeit ihr Potenzial nutzen und selbstorgansiert im Team mit ihren Kollegen Dinge gestalten (Meifert, 2009). Die Ergebnisse des New Culture-Check zeigen diesbezüglich jedoch ein klares Bild: Durch die Corona-Pandemie wurde bisher keine Veränderung von Leadership, Kultur oder Kompetenzentwicklung angestoßen. diejenigen Unternehmen, die schon vorher eine Kulturtransformation angestoßen hatten und durch eine Leadership- und Kompetenzentwicklung die Voraussetzungen für modernes Arbeiten geschaffen haben, können hier drauf aufbauen und in der Krise die New Work Potenziale noch umfassender nutzen. Die anderen Unternehmen lassen diese Chancen bisher ungenutzt. Sie lassen damit nicht nur Potenziale für eine agilere und damit marktorientiertere Ausrichtung verstreichen, sondern nehmen auch die erhöhte Belastung ihrer Mitarbeitenden in Kauf. Belastungen durch eine in der aktuellen Situation entgrenzte und stark intensivierte Arbeit sind nicht zu unterschätzen. Eine Flexibilisierung der Arbeit und entsprechende kulturelle Anpassungen sind unumgänglich, um die aktuelle Mehrbelastung abzufedern. Hier haben gerade Top Führungskräfte, aber auch andere Akteure einer aktiven Unternehmensentwicklung die Chance, die besonderen Erfahrungen der aktuellen Lern-Erfahrungen für eine wirkliche New Work-Transformation zu nutzen. In den kommenden Wochen werden weitere Erkenntnisse aus der Befragung geteilt, die sich insbesondere den Erfolgsfaktoren von New Work in der Corona-Krise widmen.

Quellen:

Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit
Prof. Dr. Heike Bruch