Sind Algorithmen (k)eine Lösung für die Personalauswahl?

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Mit zunehmender Digitalisierung setzen Unternehmen weltweit verstärkt auf den Einsatz von algorithmic decision-making systems (ADM-Systems). Anbieter versprechen einen kostengünstigeren, effizienteren, diskriminierungsärmeren und damit faireren Personalauswahlprozess (Hmoud & Laszlo, 2019). Doch welche Risiken gehen mit der Automatisierung einher? Und welche Rahmenbedingungen braucht es, um Automatisierungsvorhaben erfolgreich zu gestalten?

Von Theresa Genth

 

Die tatsächliche Nutzung von ADM-Systemen ist in Deutschland mit 9.1[1] Prozent bisher zwar noch gering, die Tendenz ist laut einer repräsentativen Umfrage des Centre of Human Resource Information Systems jedoch steigend. Im Jahr 2030 könnte der Einsatz von ADM-Systemen bereits fünfzig Prozent betragen (Weitzel et al., 2020).

 

Mögliche Chancen und Risiken im Kontext der Personalauswahl

Die Implementierung kann mit Vorteilen wie z. B. Zeit- und Kosteneinsparungen einhergehen und den Pool an Bewerbenden vergrößern. Eine Vielzahl an Studien zeigt jedoch, dass Bewerbende überwiegend negativ auf ADM-Systeme reagieren, sodass mit Einbußen der Arbeitgeberattraktivität zu rechnen ist (z. B. Langer et al., 2019). Obwohl Menschen an die Überlegenheit von Algorithmen glauben, lehnen sie diese oft ab (s. Mahmud et al., 2022 zu Algorithmus-Aversion). Zudem besteht die Gefahr, dass sich verschiedene Formen vorurteilsbehafteter Klassifizierungen unsichtbar reproduzieren oder gar vertiefen. Nämlich dann, wenn die Qualität eines Datensatzes, mit dem ein ADM-System trainiert wird, bereits einen „Bias“ enthält. Sind Algorithmen damit (k)eine Lösung für die Personalauswahl? Diese Frage ist nicht mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten. Klar ist, um die Chancen neuer Technologien nutzen zu können, müssen wir auch die Risiken kennen und adäquat auf sie reagieren.

 

Die Bedeutung des passenden Rahmens für Automatisierungsvorhaben

Bei der Einführung von ADM-Systemen ist besondere Sorgfalt gefragt, die bereits weit vor dem Auswahlprozess beginnt und mit der Kommunikation nach außen endet. Bevor Unternehmen eine Vakanz ausschreiben, müssen sie definieren, wer sie sind, wo sie sich in Zukunft sehen und wen sie suchen. Dieser Prozessschritt stellt eine Chance dar, um z. B. (veraltete) Wertesysteme zu hinterfragen und neu zu justieren, sodass sich diese nicht in Algorithmen manifestieren. Ersten Erkenntnissen zufolge sind Überzeugungen von Menschen gegenüber ADM-Systemen außerdem nicht starr verankert, sodass sich in Abhängigkeit von bereitgestellten Einsatzbegründungen unterschiedliche Wahrnehmungsmuster zeigen können (Genth & Langer, 2022). Unternehmen, die glaubwürdig signalisieren, dass Bewerbende mit Respekt und Fairness behandelt werden, werden z. B. als besonders attraktiv wahrgenommen (Jones et al., 2016). Als Kommunikationsmittel stellen Erklärungen eine Brücke zwischen Unternehmen und Bewerbenden dar. In Zukunft sollten Unternehmen diese stärker nutzen, um mit Stakeholdern in Austausch über Chancen und (befürchtete) Konsequenzen zu treten. Anhand der Reaktionen von Bewerbenden lassen sich wertvolle Hinweise ableiten, die zur Gestaltung und Verbesserung von Automatisierungsvorhaben beitragen.

[1] Bezogen auf die erfolgreichsten eintausend Unternehmen und die erfolgreichsten dreihundert IT-Unternehmen in Deutschland.

Quellen