Geteilte Führung ist (un)gut fürs Teamergebnis

image0

Wer ist hier eigentlich der Boss? Wer trifft die Entscheidungen? Verderben nicht viele Köche den Brei? Und wie effizient kann das sein, wenn die Führungsaufgaben auf mehrere Schultern verteilt werden? Was ist dran an der „Geteilten Führung“?

Von Christine Stütz

Die Zeiten für Führungskräfte sind schwieriger denn je – eine immer komplexere Umwelt, anspruchsvolle, Verantwortung und Sinn fordernde Mitarbeitende flankiert von ständigem Veränderungsdruck und neuen Projekten. Die klassische Rollenverteilung – der Chef bzw. die Chefin gibt die Richtung vor, stiftet Sinn, kennt die Themen und Inhalte und das Team bearbeitet die Aufgaben – kommt zunehmend an ihre Grenzen. Überlastung der Führungskräfte und Frust in den Teams sind die Folge. Als Antwort beobachten wir neue Führungsmodelle wie beispielsweise „Geteilte Führung“ (Shared Leadership) verstärkt in der Praxis.

Eine Funktion – mehrere Köpfe

Was soll das sein – Geteilte Führung? Psychologie-Professor J. Moskaliuk beschreibt Geteilte Führung so, dass die Aufgaben, die vormals allein die Führungskraft übernommen hat, auf mehrere Schultern im Team verteilt werden. Das kann, muss aber kein klassisches Job Sharing einer Führungsposition sein. Das Konzept geht viel weiter: Führungsverantwortung wird themenbezogen von wechselnden Akteuren je nach Anforderung übernommen oder abgegeben. Das Team trifft Entscheidungen gemeinsam und übernimmt Verantwortung für die Ergebnisse. Die Führungskraft ist vor allem dafür da, zu inspirieren, zu motivieren und die Vielfalt im Team zu koordinieren.

Das klingt attraktiv, modern und zeitgeistig – aber ist es auch gut für das Teamergebnis? Ist das nicht ineffizient und verwirrend? Und welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, dass diese Art der Führung nicht in Chaos und wiederum Überforderung endet?

In einer aktuellen Metastudie haben Wu, Cormican und Che (2020) die Wirkzusammenhänge zwischen den Voraussetzungen für Geteilte Führung, den fördernden Faktoren und dem Teamergebnis untersucht. Ihre Analyse von 40 Studien zum Thema zeigt: ja, Teams mit Geteilter Führung dürfen sich über ein verbessertes Teamergebnis freuen und zwar gemäß der Ebenen von Pearce und Conger (2003) in vierfacher Hinsicht: Verhalten im Team, Einstellung zur Arbeit, kognitive Leistung und Team Performance. Teams arbeiten netzwerkorientierter und zeigen bessere Problemlösungskompetenz, Teammitglieder spüren eine größere Zufriedenheit und erreichen eine höhere Effizienz und Effektivität. Insgesamt schlägt sich das auch in einer erhöhten messbaren Performance nieder (zum Beispiel ablesbar an höheren Verkaufszahlen) .

Gemeinsamer Zweck und vertrauensvoller Umgang

Allerdings ist Geteilte Führung nicht für alle Führungs- und Teamschwierigkeiten und -herausforderungen die Lösung. Um die Früchte ernten zu können, sind gewisse Voraussetzungen nötig:

Das Team sollte einen gemeinsamen Sinn und Zweck in der Arbeit sehen, bereits vorher einen kollegialen, vertrauensvollen Umgang pflegen und sich zu Teilhabe und Mitsprache ermutigt sehen. Zudem sollte das Team heterogen zusammengesetzt sein und Aufgaben mit wechselseitigen Abhängigkeiten und Verknüpfungen haben.

Mit anderen Worten: Wenn eine hohe Frustration, eine Ellbogenkultur, übertriebenes hierarchisches Denken sowie insgesamt wenig Teamgeist vorherrschen, so die Forschungsergebnisse von Wu/Cormica/Chen (2020), wird die Einführung Geteilter Führung nicht wirksam sein können. Das vermeintlich gut gemeinte – und vielleicht von außen betriebene – Vorhaben wird als rein „moderne“ Führungsmethode womöglich sogar zu starker Verunsicherung führen und letztlich scheitern.

Andere Forschungsarbeiten zeigen zudem, dass die vormals vorherrschende Führungskultur einen starken Einfluss auf die Wirksamkeit und Effektivität von Geteilter Führung hat – je transformationaler vorher geführt wurde, desto besser das Ergebnis (D., Waldman, D. A., & Zhang, Z. (2014)).

Investition in Team- und Führungsentwicklung lohnt sich

Wenn man so will, ist die Geteilte Führung eine konsequente Fortschreibung von erfolgreicher Teamentwicklung hin zu High Performing Teams. Es braucht ein bunt gemischtes, echtes Team mit einem gemeinsamen Ziel, einem sinnvollen, zusammenhängenden Aufgabenzuschnitt, Vertrauen und offenem Umgang. Dann kann ein modernes Führungskonzept wie Geteilte Führung ein stimmiger nächster Schritt sein und keine müßige Innovations-Fingerübung ohne Wirkung und mit hohem Chaos-Potenzial.

Der womöglich steinige Weg dorthin mit Investitionen in die Team- und Kulturentwicklung sowie organisatorischen Anpassungen bietet dann aber ein lohnenswertes Ziel: ein verbessertes messbares Teamergebnis. Dadurch wird wiederum die Motivation im Team erhöht und die Freude an der Arbeit verstärkt sich quasi selbst – und das bei allen Beteiligten, auch der Führungskraft.

Quellen: