Eine strategische Learning & Development-Funktion ist (nicht) wichtig für den Unternehmenserfolg

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Mit der zunehmenden Bedeutung von Personalentwicklung und „Lernen“ als Erfolgsfaktoren für Unternehmen wachsen die Chancen für die Learning & Development-Funktionen, sich strategisch zu positionieren. Die Positionierung über eine Lernstrategie ermöglicht es Organisationen das Lernen sowohl auf individueller Ebene, auf Team-Ebene als auch auf organisationaler Ebene zu steuern, inhaltlich zu verknüpfen und an der Unternehmenskultur auszurichten.
Aber wie definiere ich eine Lernstrategie für mein Unternehmen und wie wird sie tatsächlich wirksam?

Von Wiebke Petsch und Katherina Bravo

In dem heutigen sich schnell verändernden Wirtschaftsumfeld sind Unternehmen herausgefordert, sich nicht nur reflexartig äußeren Gegebenheiten anzupassen, sondern auch richtungsweisende Beiträge zu neuen Marktentwicklungen zu leisten. Wissen ist für Organisationen ein entscheidender Faktor, um Wettbewerbsvorteile zu sichern und den Unternehmenserfolg zu stabilisieren (Saadat & Saadat, 2016). Damit einher geht die zunehmende Bedeutung von Lernen in Unternehmen auf Individuums-, Team- und Organisationsebene. Dabei sind alle drei Ebenen eng miteinander verbunden: Das Lernverhalten von Individuen und Teams hat einen direkten Einfluss auf die Entscheidungsqualität von Führungskräften – und diese letztendlich einen direkten Einfluss auf die organisationale Leistung (Harvey et al., 2022).

Auch laut des neuesten LinkedIn Workplace Learning Reports 2024 ist das Lernen in der Organisation aus den Kinderschuhen des einfachen Mitarbeitenden-Benefits herausgewachsen und nun mehr eine wichtige strategische Komponente für den Organisationserfolg. So nutzen 90 Prozent der befragten Unternehmen ein breitgefächertes Lernangebot strategisch, um ihre Mitarbeitenden an sich zu binden. Eine weitere Analyse im Report zeigt, dass eine starke Lernkultur zu 57 Prozent gesteigerter Mitarbeitenden-Bindung führt (Retention) und zu 23 Prozent mehr interner Mobilität (LinkedIn 2024).

 

Eine effektive Learning & Development- Funktion orientiert sich an den Bedarfen des Unternehmens und den Bedürfnissen der Mitarbeitenden

 

Laut einer Studie des British Council Corporate English Solutions (2023) nimmt im Vergleich zum vergangenen Jahr insbesondere die Wichtigkeit der Priorisierung auf die „Verbindung von Lerninitiativen mit individuellen Karrierepfaden“ sowie die „Verknüpfung der L&D-Funktion mit der Mission sowie mit den Werten und Zielen“ der Gesamtorganisation zu.

Aber wie gelingt es der L&D-Funktion, gleichzeitig die Anforderungen des Wirtschaftsumfelds, die Bedarfe des Unternehmens und die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu vereinen? Eine Antwort auf dieses sich auftuende Spannungsfeld gibt die Personalentwicklungs- bzw. Lernstrategie. Denn erst die Formulierung und Konkretisierung einer Personalentwicklungs- bzw. Lernstrategie ermöglicht es der L&D-Funktion effektiv, strategisch relevant, entscheidungsfähig und anpassbar zu sein. Aus ihr lassen sich außerdem passgenaue Ziele, Rollen, Prozesse und Governance-Strukturen ableiten.

 

Eine effektive Lernstrategie hat Relevanz für das gesamte Unternehmen

 

“A learning strategy seeks to support professional development and build capabilities across the company, on time, and in a cost-effective manner. In addition, the learning strategy can enhance the company culture and encourage employees to live company’s values.” (van Dam & Rijken, 2021)

 

Basierend auf ihren Erfahrungen – mit über zweihundert weltweit agierenden Organisationen – haben Nick van Dam und Jan Rijken, in Zusammenarbeit mit McKinsey, das ACADEMIES L&D Strategy Model entwickelt. Es benennt neun strategische Dimensionen, unter denen die L&D-Funktion einer Organisation strategisch und operational wirksam wird.

Zusammengefasst beschreiben die Dimensionen die Notwendigkeit, die Lernstrategie aus der Unternehmensstrategie abzuleiten sowie Prozesse und Strukturen aufzusetzen, die eine enge Zusammenarbeit zwischen der HR-Abteilung und den einzelnen Unternehmensbereichen ermöglichen, um die bedarfsgerechte Ausgestaltung und Messbarkeit von Lernangeboten zielgerichtet zu ermöglichen (van Dam & Rijken, 2021).

 

Festlegung von Lernmodellen, Ableitung von Learning Journeys, Gap-Analysen – eine klar definierte Lernstrategie schafft Orientierung und Transparenz

 

Nicht nur für die Festlegung eines Lernmodells (bspw. 70:20:10) und dem Aufbau von Learning Journeys kann die Lernstrategie als Rahmensetzung dienen, sondern auch für einen gezielten standardisierten Prozess von Bedarfserhebung, Empfehlung, Umsetzung zwischen der L&D-Funktion und der restlichen Organisation (van Dam & Rijken, 2021). Dabei werden sowohl technologische Neuerungen einbezogen als auch analysiert, ob die L&D-Expert:innen selbst über die notwendigen Fähigkeiten dafür verfügen (British Council Corporate English Solutions, 2023).

 

Drei methodische Ansätze, um eine individuelle Lernstrategie zu definieren

 

Die Richtungsentscheidung für die Ableitung der Lernstrategie sowie die organisationalen Kernkompetenzen, auf die die Organisation aufbauen will, sind  idealerweise bereits in der Unternehmensstrategie definiert (Becks et al., 2024).

Basierend darauf gilt es, für das „Lernen in der Organisation“ eine eigene Vision zu formulieren und – neben einer strategischen Zielsetzung und Rollendefinition – auch die grundlegenden Kernelemente einer strategischen Initiative zu definieren: Messbarkeit, Skalierbarkeit, Integration und Institutionalisierung. Als Inspiration dienen die folgenden drei methodischen Ansätze: die Checkliste des British Council, die neun Dimensionen des ACADEMIES L&D Strategy Model und die Learning Strategy Canvas von Foelsing und Schmitz (2021).

 

 

Fazit

Insgesamt wird deutlich: Personalentwicklung ernst zu nehmen, heißt auch, diese strategisch anzugehen. Die Lernstrategie ist die Basis, um strategische Lern-Initiativen auf die Unternehmensziele und Bedürfnisse der Mitarbeitenden auszurichten und strukturiert umzusetzen.

Lernen zum strategischen Schwerpunktthema zu machen hat außerdem einen positiven Effekt auf eine lernförderliche Kultur der Organisation. Denn es zeigt, dass Personalentwicklung ernst genommen wird und das Unternehmen verstanden hat, dass die Lernfähigkeit der Organisation ein entscheidender Wettbewerbsvorteil ist.

Quellen