Home Office wirkt sich (nicht) positiv auf die Produktivität aus

BION 09_2019

Die Arbeit von zu Hause aus zu verrichten, gehört für immer mehr Arbeitnehmer zum Alltag. Laut einer Bitkom-Umfrage bieten mehr als ein Drittel der Unternehmen ihren Mitarbeitenden an, im Home Office zu arbeiten. Doch hat die Arbeit im Home Office nur Vorteile, wie zum Beispiel eine positive Work-Life-Balance oder belegt die Wissenschaft das Gegenteil?

Von Maria Frick

In Deutschland wird es jedem vierten Arbeitnehmer ermöglicht, regelmäßig im Home Office zu arbeiten. Allerdings stagnieren die Zahlen. Schon seit einigen Jahren wird in der Öffentlichkeit und in den Unternehmen diskutiert, inwieweit das Home Office zu Produktivitätsverlusten führt. Eine einheitliche Linie zeichnet sich hier in der Unternehmenslandschaft nicht ab.

Kritische Stimmen aus Wirtschaft oder sogar zuletzt der Politik kommen immer wieder auf und machen auf die möglichen negativen Auswirkungen durch die Verschlechterung der innerbetrieblichen Beziehungen zwischen Kollegen aufmerksam. Zudem wird die Reduktion von Kreativitätspotenzialen aus der eingeschränkten sozialen Interkation hervorgehoben. Auf soziale Isolation und Tendenzen zur Selbstausbeutung weisen Arbeitnehmervertreter meist hin. Dem entgegen zu stellen sind die Thesen, dass Home Office sogar produktivitätssteigernd ist, die Arbeitszufriedenheit erhöht und Arbeitgeberattraktivität steigert (Biemann / Weckmüller, 2015).

Wenn man sich den wissenschaftlich belegbaren Fakten zu diesem Thema zuwendet, gibt es tausende Einzelstudien, die jeweils ausgeglichen vorteilige und nachteilige Daten für Home Office liefern. Im Rahmen einer Metaanalyse von 2007 werteten Gajendran und Harrison die Ergebnisse von 46 Einzelstudien aus. Sie gingen unter anderem der Frage nach, wie sich Produktivität der Mitarbeitenden, die im Home Office arbeiten, verändert. Insgesamt ist hier ein schwach positiver Effekt zu messen (0,19). Während die Selbsteinschätzung der Mitarbeitenden weitgehend neutral ist, zeigt sich die positive Wirkung bei Analyse der Vorgesetztenbeurteilung oder der objektiven Leistungsinstrumente. Die Befürchtung der Arbeitgeber, dass Home Office und Vertrauensarbeitszeit zu geringerem Arbeitseinsatz führen, lässt sich nicht unterstreichen. Der auf Vertrauensarbeitszeit basierende durchschnittliche Arbeitseinsatz liegt bei 1,5 Stunden mehr als die geregelte Arbeitszeit pro Woche (Beckmann / Cornelissen, 2014).

Weniger soziale Interaktionen, erhöhte Autonomie

Eine Verschlechterung der Beziehungsqualität zu Kollegen und Vorgesetzten lässt sich insgesamt nicht belegen (Gajendran/Harrison, 2007). Doch wenn Home Office über die komplette Arbeitszeit ausgeführt wird, lassen sich negative Effekte finden. Überwiegende Home-Office-Tätigkeit führt zur Reduktion sozialer Interaktion mit Kollegen, erhöht die wahrgenommene Isolation und reduziert letztlich leicht die Arbeitszufriedenheit (Biemann / Weckmüller, 2015; Virick et al., 2010).

Eine starke Befürwortung von Home Office liegt in der Begründung einer besseren Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben. Bei der wahrgenommenen Work-Life-Balance spielt vor allem die selbst erlebte Autonomie des Mitarbeitenden eine wichtige Rolle. Wenn sich ein Mitarbeitender als selbstbestimmt wahrnimmt, treten leicht positive individuelle Effekte auf, der Effekt von Arbeitszufriedenheit ist nur leicht erhöht (0,10), so Gajendran/Harrison (2007). Ein ähnlich ausbleibender Effekt zeigt sich auch bei der Betrachtung der Geschlechter und Familien. Es lassen sich keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern sowie zwischen Beschäftigten mit und ohne Familie feststellen (Possenriede / Plantenga, 2014). Vor dem Hintergrund, dass viele Unternehmen und Initiativen gerade die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als Ziel von Flexibilisierungsmaßnahmen in den Fokus stellen, überrascht der Befund.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Wissenschaft und vor allem die einzelnen Studiendesigns sowohl die Vorteile als auch Nachteile bzw. positive und negative Effekte bzgl. Home Office Aktivitäten belegen kann. Was nicht ausbleiben wird, ist, dass mit zunehmender Digitalisierung, Flexibilisierung der Arbeitszeiten und digitaler Vernetzung die Zahlen der Home Office-Arbeiter aber weiter steigen (Bitkom, 2019).

Weiterhin müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber genaue Regelungen für die Heimarbeit vereinbaren. Im Sinne einer positiven Employee Experience und moderner Arbeitsformen gilt für Unternehmen, die eigenen Mitarbeitenden zu befragen, welche Arbeitsumgebung für sie die beste ist, um beste Leistungen zu erbringen. Die Bedürfnisse sind dann mit den Anforderungen des Unternehmens in Einklang zu bringen. Unternehmen wie Netflix, die den Mitarbeitenden nicht nur Autonomie bzgl. Arbeitszeit und -ort, sondern auch über den Urlaubsumfang geben, gelten unter Personalern als wegweisend für die Zukunft der Arbeit.

Quellen: