Generation Z darf (nicht) getestet werden

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In diesem Artikel gehen wir der Frage nach, ob im derzeitigen Arbeitnehmermarkt methodenbasierte Personalauswahl noch stattfinden darf oder aus Angst vor Verlust und Rückzug von Bewerbenden darauf verzichtet werden muss. Bei HRpepper behaupten wir, dass das eine ohne das andere möglich ist. Zentral ist, eine gute Diagnostik wertschätzend durchführen, die zu mehr und besseren Bewerbungen führt.

 

Von Annika Olofsson und Mila Rangoonwala

Wenn sich, wie der Future of Jobs Report (2023) aussagt, ungefähr die Hälfte der Core Skills in den nächsten fünf Jahren verändern, wird es schwieriger oder nahezu unmöglich, ein klares Bild bezogen auf die Anforderungen einer bestimmten Stelle zu skizzieren, welches nicht innerhalb kürzester Zeit veraltet. Für die Personalauswahl zeigt sich die Konsequenz, dass es vor allem auf umfassende Persönlichkeitsmerkmale und Einstellungen ankommt – ergänzt um die Fähigkeit und Motivation, dazuzulernen und sich zu verändern. Diese Informationen lassen sich nur schwer aus Lebensläufen und (mit ChatGPT geschriebenen) Bewerbungsschreiben herauslesen und bedürfen einer eingehenden Diagnostik. Gleichzeitig setzt sich der Bewerber:innenpool in Zeiten des Fachkräftemangels und mit dem Arbeitseinstieg der Generation Z jedoch aus Personen zusammen, die sich ihrer Position auf dem Arbeitnehmermarkt sehr bewusst sind und neue Werte sowie Erwartungen mitbringen. In Unternehmen geht folglich die Sorge um, Bewerber:innen abzuschrecken und zu verlieren, wenn man sie systematisch testet – aber stimmt das? Und ist es das Risiko wert, falsche Einstellungsentscheidungen zu treffen?

Aktuelle Ergebnisse zum Einsatz von Testverfahren

Diagnostische Verfahren, wie kognitive und Persönlichkeitstests, werden trotz vergleichsweiser hoher Validität (Sackett, Zhang, Berry, & Lievens, 2022) bei überschaubaren Kosten und Zeiteinsatz auch heute noch nur sparsam in der Praxis eingesetzt. Schuler, Hell, & Armoneit (2020) überprüften dieses Phänomen über viele Jahre hinweg und fanden heraus, dass die geringe Anwendung damit erklärt werden kann, dass Anwender:innen die soziale Validität und Akzeptanz dieser Verfahren bei Bewerbenden als gering einschätzen. Im Kontrast dazu zeigen Beermann, Kersting, Stegt & Zimmerhofer (2013), dass berufsbezogene Persönlichkeitsfragebögen in Auswahlverfahren positiv erlebt werden, da Bewerbende sie als kontrollierbar wahrnehmen, und die Messqualität der kognitiven Verfahren als besonders hoch einschätzen. Zudem kommen aktuelle Befragungen zu dem Schluss, dass die Generation Z großen Wert darauf legt, als Individuum wahrgenommen und angesprochen zu werden (Francis & Hoefel, 2018). Diagnostische Verfahren können, gut umgesetzt, dieser Erwartung gerecht werden, da sie eine Einzelperson in den Fokus rücken, diese eingehend erfassen und damit eine zusätzliche Chance zur Selbsterfahrung bieten.

Erfolgreicher Einsatz von Diagnostik

Um kognitive Verfahren und Persönlichkeitstests erfolgreich im Recruiting einzubinden, sollte nicht nur aus Gründen der Validität darauf geachtet werden, dass leistungsrelevante Merkmale erfasst werden, sondern auch aus Gründen der Akzeptanz. Zusätzlich sollte den Bewerbenden transparent mitgeteilt werden,

  • welcher Bezug zwischen Testverfahren und Stellenanzeige herrscht,
  • warum das Testverfahren einen guten Prädiktor darstellt,
  • wie das Testverfahren in die finale Entscheidung einfließt, und
  • welcher persönliche Mehrwert für die Bewerbenden durch die Teilnahme am Test entstehen kann.

Wichtig ist die Gestaltung des Bewerbungserlebnisses – und hier sind keine Grenzen gesetzt. Wir bei HRpepper sehen Diagnostik in all ihren Formen immer als Intervention, die zur organisationalen und individuellen Entwicklung genutzt werden sollte. Neben der individuellen Rückmeldung der Testergebnisse und anschließenden Beratungsangeboten hinsichtlich Entwicklung oder Karrierewege, können dabei auch andere kreative Optionen angeboten werden, z. B. das Teilen von Einzelergebnissen oder Fit-Scores auf Social Media, um ein einzigartiges Erlebnis zu kreieren.

Ein individualisierter und transparenter Bewerbungsprozess, entsprechend den Bedürfnissen von Generation Z, führt am Ende nicht nur zu einer besseren Entscheidung, sondern hat mehrere positive Nebenwirkungen: Eine im Netz geteilte positive Erfahrung wirkt sich auf das Employer Branding aus und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Bewerbende einen angebotenen Job annehmen und die Organisation an Freunde und Bekannte weiterempfehlen (Schuler, Hell, & Armoneit, 2020). Und: Ein insgesamt positiv wahrgenommener Recruiting-Prozess erhöht auf lange Sicht schließlich das Commitment sowie die Zufriedenheit gegenüber der Arbeit und Organisation.

Quellen: