Erfolg kommt (nicht) von Fehlschlägen

Unternehmen rühmen ihre Mitarbeiter gerne als ihr wertvollstes Gut. Mit Blick auf den hart umkämpften globalen Markt sind Unternehmen immer mehr, insbesondere auf die Mitarbeiter angewiesen, die über ihre eigentlichen Aufgaben hinausgehen, Initiative zeigen und Themen vorantreiben. Proaktives unternehmerisches Verhalten im Sinne einer aktiven und eigeninitiativen Arbeitsweise, die über das in der Stellenbeschreibung geforderte Maß hinausgeht (Frese et al. 1996, S. 38), kann verbesserte Prozesse, Dienstleistungen und Produkte hervorbringen und so die Wett- bewerbsposition eines Unternehmens am Markt stärken.

Ideen können als ein typisches Ergebnis der Eigeninitiative von Mitarbeitern angesehen werden. Insbesondere radikale oder sogenannte disruptive Ideen können für Unternehmen äußerst wichtig sein, da sie das Potenzial für eine strategische Neuausrichtung enthalten. Nach Levinthal und March (1993) sind radikale Ideen explorativer Natur, d.h. sie unterscheiden sich von vorhergehenden Ansätzen und können üblicherweise als große Herausforderung für den Ideengeber angesehen werden, die ein Höchstmaß an Engagement erfordert. Baer (2012) betont, dass der Wert radikaler Ideen durch die Unwägbarkeit ihres Erfolgs für das Unternehmen nur schwer im Voraus abgeschätzt werden kann.

Dies wirft für Firmen zwei Probleme auf: Erstens sind typischerweise nur sehr wenige der vorgeschlagenen Ideen gut genug (bzw. überhaupt umsetzbar), um von der Unternehmensleitung grünes Licht und eine entsprechende finanzielle Förderung zu erhalten. Wie aber reagieren Mitarbeiter, deren eigenständig und in der Freizeit entwickelte Ideen abgelehnt werden? Werden sie in Zukunft überhaupt noch neue Ideen entwickeln? Oder geben sie frustriert auf? Letzteres würde unweigerlich zu einer gravierenden Behinderung der Innovationsfähigkeit des Unternehmens führen, da die durch Mitarbeiter-Ideen gespeiste Innovations-Pipeline schnell austrocknen würde. Wie kann zweitens sichergestellt werden, dass trotz der geringen Vergleichbarkeit von früheren und radikal neuen Ideen dennoch das Wissen aus vergangenen Erfahrungen genutzt und so die Qualität der neuen Ideen kontinuierlich verbessert wird? Dieser Aspekt ist gleichermaßen wichtig, wenn ein Unternehmen vermeiden möchte, seine knappen Ressourcen in minderwertige Ideen zu investieren.

Eine neuere Studie von Deichmann und van den Ende (2014) von der Rotterdam School of Management untersucht diese Fragen, indem betrachtet wird, wie sich der Erfolg vergangener Initiativen auf die Entwicklung neuer Ideen auswirkt (S. 670 – 671). Mit Ihrem Untersuchungsfokus auf nachhaltiger und radikaler Eigeninitiative unterscheiden die Forscher zwischen job-spezifischen, erforderlichen Aufgaben und proaktivem Verhalten. Damit untersuchen sie auch direkt das Lernverhalten bei nicht-geforderten Aktivitäten (S. 684). Für ihre Studie analysierten sie das Vorschlags- system eines multinationalen Unternehmens mit insgesamt 1.792 über 12 Jahre hinweg eingereichten Vorschlägen von 908 Mitarbeitern (S.671).

Entgegen ihrer Hypothese fanden sie heraus, dass die Ablehnung einer Initiative durch das Management (was einem Fehlschlag gleichkommt) positiv mit einem erneuten Einbringen von Ideen durch den Mitarbeiter korreliert. Mit anderen Worten: die Erfahrung der Ablehnung stimuliert die zukünftige Initiierung neuer Ideen. Aus Sicht eines Unternehmens bedeutet das, es hat keinen negativen Einfluss auf die Eigeninitiative der Mitarbeiter, wenn die Mehrzahl ihrer Ideen nicht akzeptiert wird.

Ihre zweite Hypothese hingegen sahen die Forscher bestätigt: Das Erleben von Erfolg steht in Zusammenhang mit der Qualität nachfolgender Initiativen. Das bedeutet, Erfolg bei voraus- gehenden Initiativen beeinflusst die spätere Ergebnisqualität positiv (S. 683).

Wodurch erklären sich diese überraschenden Ergebnisse? Die Forscher weisen auf den Unterschied zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation sowie das Thema Resilienz hin. Für proaktive Aktivitäten wie das eigeninitiative Entwickeln radikaler Ideen ist eine intrinsische Motivation von größter Wichtigkeit. Verglichen mit erfolgreichen Ideengebern, die damit beschäftigt sind, ihr genehmigtes Vorhaben umzusetzen und dadurch bereits gewisse Lernerfolge haben, könnten gescheiterte Mitarbeiter sich nach wie vor herausgefordert fühlen, neue Risiken einzugehen, weiter zu experimentieren und neue Vorschläge zu präsentieren. So fanden die Forscher heraus, dass die Mitarbeiter in ihrer Stichprobe eine sehr hohe Resilienz in Bezug auf Fehlschläge aufwiesen (S. 683). Sie warnen jedoch auf Grundlage ihrer eigenen Forschung sowie weiterer Literatur zum Thema Entrepreneurship, dass wenn die Zahl der Fehlschläge zu groß wird, das Verhältnis kippt und sich Mitarbeiter weniger gefordert fühlen bzw. weniger Motivation für das Einbringen neuer Ideen haben könnten (S. 683).

Ein zweiter Erklärungsansatz sieht Gründe eher in der Organisation, in der das Individuum eingebettet ist und wie dort Lernen gefördert wird. Eine Kultur vorausgesetzt, in der Fehlschläge nicht bestraft werden, sondern in der eine positive Einstellung gegenüber Fehlern herrscht (so der Fall in der Stichprobe der Forscher), können Mitarbeiter die Erfahrung machen, dass sie sicher und ohne Angst vor ernsthaften Konsequenzen scheitern dürfen. Sind die Erwartungen dementsprechend gering, kann die Schwelle für eine erneute Eigeninitiative nach einem gescheiterten Versuch sogar noch sinken. Die Forscher vermuten, dies könnte der Fall sein, wenn die Ergebnisse einer Initiative keinem breiteren Publikum bekannt wird und dadurch die Notwendigkeit zur Bewältigung negativer kognitiver Anforderungen und die Angst vor einem neuen Versuch reduziert werden (S. 683).

Was bedeutet das für die Praxis? Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass durch das Einbeziehen von in der Vergangenheit bereits erfolgreichen Ideengebern in neue Eigeninitiativen anderer Mitarbeiter, zum Beispiel als Mentoren für weniger erfahrene Kollegen, die Erfolgsaussichten neuer Initiativen gesteigert werden können. Allgemeiner weisen die Forscher auf die Wichtigkeit der Größe sozialer Netzwerke als Katalysator für kollaboratives Arbeiten und Wissenstransfer hin und identifizieren eine potenziell vielversprechende Innovationsstrategie für Unternehmen. Beispielsweise können Unternehmen die Knüpfung von Netzwerken mit Hilfe eines Mentorenprogramms fördern, das Mitarbeitern, die an der Entwicklung neuer Ideen arbeiten, erfahrene Mitarbeiter an die Seite stellt, die bereits Erfolg mit ihren Ideen aufzuweisen haben. Hiervon würden beide Seiten profitieren: für die neuen Ideen-Entwickler nehmen die Erfahrenen eine Vorbildfunktion ein; die Erfahrenen wiederum profitieren in ihrem eigenen bzw. kollektiven Wissens-Pool vom frischen Wind, den die neuen Ideen-Entwickler einbringen.

Quellen