Eine Zunahme von Remote-Arbeit im Unternehmen führt (nicht) zu weniger Kooperation

202204

Die Corona-Pandemie hat zu einem enormen Anstieg von Homeoffice und virtuellem Arbeiten geführt. Die meisten Expert:innen gehen davon aus, dass Remote-Arbeit auch nach Corona beliebt sein wird aufgrund der Flexibilität, die sie mit sich bringt.

Aber sie verändert auch die Kommunikation und die Zusammenarbeit – sowohl mit den Teammitgliedern als auch mit Mitarbeitenden aus anderen Bereichen. Die genauen Effekte hat kürzlich eine großangelegte Studie zutage gefördert.

Von Jan C. Weilbacher

 

Das hybride und digitale Arbeiten sind auf dem Vormarsch (vgl. Bruch, H., 2022). Und man kann jetzt schon sagen, dass diese neuen Arbeitsformen auch nach der Pandemie weiterhin einen hohen Stellenwert haben werden. Viele Unternehmen sind dabei, neue hybride Arbeitsmodelle einzuführen oder haben sie bereits etabliert. Ziel ist, mehr Flexibilität hinsichtlich Arbeitsort und -zeit zu ermöglichen. Doch es entstehen auch neue Herausforderungen, wenn Menschen nicht an einem Ort zusammenarbeiten (vgl. Backovic, L.; Scheppe, M., 2022). Die Zunahme von Remote-Arbeit bzw. mobilem Arbeiten verändert Zusammenarbeit und Kommunikation – innerhalb von Teams und bereichsübergreifend.

Wie genau der Wandel – insbesondere in Bezug auf Wissensarbeit – aussieht, ob eher asynchrone oder synchrone Kommunikation zunimmt oder ob die Zusammenarbeit bzw. die Kooperation intensiver werden oder eher abnehmen, diesbezüglich konnten lange nur Mutmaßungen angestellt werden.

L. Yang et al (2022) haben nun umfangreiche Analysen durchgeführt auf Basis einer Vielzahl an Nutzungsdaten von mehr als 60.000 Microsoft-Mitarbeitenden in den USA. Im Zeitraum von Dezember 2019 bis Juni 2020 wurden anonymisiert beispielsweise E-Mails, Instant Messages, Kalendereinträge, Video- bzw. Audio-Calls, wöchentliche Arbeitsstunden und Meetings ausgewertet. Dies ermöglichte Vorher-Nachher-Vergleiche zu Veränderungen durch das firmenweite Remote-Arbeiten. Bei Microsoft galt ab März 2020 die Regel: Wenn immer es möglich ist, nicht ins Büro zu kommen und remote zu arbeiten.

 

Zunahme der asynchronen Kommunikation

Die Ergebnisse von L. Yang et al (2022) zeigen, dass die unternehmensweite Remote-Arbeit dazu führte, dass das Kollaborationsnetz der Mitarbeitenden statischer und isolierter wurde und es weniger Verbindungen zwischen den verschiedenen Bereichen gab. Eine Schlussfolgerung ist, dass es für Mitarbeitende in einem Unternehmen, in dem remote gearbeitet wird, schwieriger wird, sich neue Informationen anzueignen und sich in einem Netzwerk auszutauschen (vgl. Yang, L. et al, 2022)

Hinsichtlich des Kommunikationsverhaltens zeigen die Auswertungen der Studie, dass durch die unternehmensweite Umstellung auf Remote-Arbeit die synchrone Kommunikation insgesamt abnahm. Zwar stieg vor allem die Zahl der ungeplanten Audio und -Video-Anrufe an und auch geplante Meetings nahmen zu, doch konnten sie den zeitlichen Umfang hinsichtlich der persönlichen Interaktionen, die vor der Pandemie stattfanden und naturgemäß beim mobilen Arbeiten auf null sinken, nicht ausgleichen.

„Die unternehmensweite Remote-Arbeit führte zwar zu einem Rückgang der synchronen Kommunikation, aber auch zu einer Zunahme der asynchronen Kommunikation“, so die Autor:innen. Das betraf neben E-Mail vor allem das Chatten (Instant Messaging). Auch die Arbeitszeit insgesamt nahm leicht zu. Es wird angenommen, dass „der Anstieg der Instant Messages eine Veränderung des Kooperationsverhaltens der Arbeitnehmer während der Arbeit widerspiegelt, und nicht etwa eine Veränderung des Arbeitsumfangs.“

 

Statischer als vor der Pandemie

Auffällig war auch, dass firmenweite Kommunikation außerhalb der eigenen Arbeitsgruppe zurückging – bezogen auf die Anzahl der Personen, aber auch hinsichtlich der aufgewendeten Zeit. Es kamen weniger neue Gesprächspartner:innen außerhalb der eigenen Arbeitsgruppe hinzu. Die etwas längere Arbeitszeit und die Kommunikation wurden also für das eigene Team verwendet. Die Kommunikation war insgesamt jedoch statischer als vor der Pandemie (Yang, L. et al, 2022).

Die Studie von L. Yang et al (2022) macht deutlich, dass eine unternehmensweite Remote-Arbeit neben Vorteilen auch das Risiko mit sich bringt, dass Teams und Gruppen sich vom Rest der Organisation abschotten – sowohl im formellen als auch im informellen Sinne.

Eine Konsequenz daraus könnte sein, dass Kulturgestalter:innen beispielsweise aus dem HR-Bereich sowie Führungskräfte sich des Problems der Remote-Arbeit bewusst annehmen und gegensteuern. Ein Weg wären regelmäßige bereichsübergreifende (digitale) Events, die auch das Ziel des Community Building haben. Auch die berühmten „zufälligen Treffen in der Teeküche“ können durch „digitale Blind Dates“ nachgeahmt werden. Und schließlich ist das Fördern von themenspezifischen Channels und Communitys im Social Intranet eine Möglichkeit.

Egal, ob analog oder digital – die Vernetzung bleibt in Zeiten der zunehmenden Komplexität wichtig.