Echter Change verläuft (nicht) immer phasenweise

BION_202007

OrganisationsentwicklerInnen und BeraterInnen schaffen immer wieder mit Change Management Modellen Orientierung in das Transformationsvorhaben und bringen Klarheit sowie Ordnung über den Verlauf der menschlich emotionalen aber auch organisationalen Veränderungsaspekte innerhalb einer Transformation. Doch haben diese Ansätze und Phasenmodelle eine evidenzbasierte Berechtigung in Managementpraktiken angewendet zu werden?

Von Maria Frick

Ob 3-Phasenmodell von K. Lewin, 5-Phasenmodell von W. Krüger, 8-Stufenmodell von J. Kotter oder klassisches Top-Down/Bottom-Up Modell – praxiserprobte Phasenmodelle gibt es viele. Den Methoden, Instrumenten und zeitlichen Aufwand der einzelnen Modelle betreffend, unterscheiden sie sich allesamt sehr. Doch was sie eint, ist der Versuch einen Handlungsrahmen aufzuzeigen, mögliche Ursache-Wirkungszusammenhänge abzubilden und sich auf typischerweise auftretende Situationen in einer Veränderung vorzubereiten. Nur ein strukturiertes Change Management, was einer systematischen aufeinander aufbauenden Prozessabfolge nachgeht, kann erfolgreich sein und ist die Annahme der Autoren der genannten Phasenmodelle (Gairing / Weckmüller, 2019). Auf den ersten Blick schaffen Phasen es, diese besonders komplexen Wirklichkeiten eines Veränderungsvorhabens modellartig darzustellen. Wir wissen aber auch, dass ca. 65% aller Change-Projekte abgebrochen werden oder scheitern (Ashkenas, 2013).

Vor diesem Hintergrund unternahmen J. Stouten und Kollegen (2018) den Versuch, empirische Evidenz zur Relevanz der Phasen zu finden. Dabei greifen sie auf die Ergebnisse von Barends und Kollegen zurück, die bereits im Jahre 2014 über 550 Einzelstudien betrachteten und Querschnittsbefragungen analysierten, sie mit der explizit auf Organisationsveränderung ausgerichteten Literatur verglichen und Analogieschlüsse aus vergleichbaren Wissenschaftsdisziplinen, wie strategisches Management, hinzuzogen.

Dringlichkeit auf individueller Ebene erzeugen

Die wesentlichen Ergebnisse aus den Analysen zeigen, dass die Diagnose und rationale Beschreibung der spezifischen Veränderungsnotwendigkeit erfolgskritisch ist (vgl. Gairing / Weckmüller, 2019). Die WissenschaftlerInnen sagen, dass Mitarbeitende, die einen Veränderungsprozess als planvoll und datengetrieben begründet ansehen, eher die Veränderung akzeptieren und unterstützen (Stouten et al, 2018) als wenn sie nur das „Gefühl der Dringlichkeit“ verspüren sollen, so wie es im Kotter-Modell als erste Phase benannt wird. Der positive Einfluss von Kotter´s erster Phase, eine Dringlichkeit auf individueller Ebene zu erzeugen, lässt sich nicht empirisch validieren. Des Weiteren zeigen die ForscherInnen, dass es empirische Evidenz für phasenartige Prozessschritte gibt, die insbesondere die Kommunikation einer Vision, das Empowerment und Partizipation der Mitarbeitenden sowie den Aufbau von veränderungsbezogenen Kompetenzen hervorstellt. Zu sogenannten „Quick Wins“ oder dem schnellen Schaffen von neuen Realitäten konnte keine hinreichende Evidenz gefunden werden. Ein Augenmerk der WissenschaftIerInnen liegen bei den drei Kriterien Vision, Partizipation und Kommunikation von vermeintlich erfolgreicher Veränderung. Die Evidenz sozialer Dynamiken von eingesetzten Partizipationsmöglichkeiten im Change wird seit 1982 (Katz et al.) immer wieder belegt. Dass Partizipation auch die Tendenz zu Widerständen gegen Veränderungen signifikant reduziert und die Verbundenheit der Mitarbeitenden mit Transformationszielen stärkt, zeigen weitere empirische Untersuchungen (vgl. Wagner, 2014). Daneben erforschten R. Boyatzis und Kollegen jahrelang das Phänomen einer unternehmensweiten geteilten Vision und schafften es nachzuweisen, dass eine geteilte Vision, das Engagement und die Energien der Beteiligten deutlich positiv beeinflusst (ebd. 2015). Neben den beiden Faktoren gibt es aktuelle empirische Belege, die die Wichtigkeit und besonderen Mechanismen von Change Communication stärken. Kommunikation ermöglicht evidenzbasiert eine Steigerung von Motivation und Produktivität im Wandel (Helpap/Schinnenberg, 2018).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Change Management keine wissenschaftliche Grundlagendisziplinen ist, sondern eine Kombination aus „anwendungsorientierter sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse, dessen wesentliche Bedeutung erst im Spannungsfeld zwischen theoretischem Hintergrund und praktischer Anwendung zum Tragen kommt“ (Gairing / Weckmüller, 2019). Wichtig ist es einen gemeinsamen Rahmen, eine gemeinsame Sprache und die richtigen Werkzeuge zu finden, um Veränderungen in der Praxis erfolgreich zu managen. Die Auswahl ist groß und viele Modelle bestehen aus den gleichen Phasen und Bausteinen, sodass die Herausforderung darin besteht, Change Management zu einem Bestandteil des Geschäftsmodells zu machen (Ashkenas, 2013) und durch eine geteilte Vision, Partizipation von allen Mitarbeitenden und einer starken Change Communication erlebbar werden zu lassen.

Quellen: