Warum hybride Organisationsmodelle (nicht) die Antwort auf ambidextre Fragestellungen sind


Bewegte Zeiten erfordern adaptionsfähige Organisationen. Fast alle Unternehmen sind heute durch mehrere Megatrends herausgefordert: Flexibilisierung, Performance-Druck oder die Digitalisierung der Geschäftsmodelle und Arbeitsweisen sind nur drei der zentralen Phänomene. Dies erzeugt Spannungen auf den Ebenen Individuum, Team und Organisation. Kann eine hybride Organisationsstruktur eine Antwort auf diese Anforderungen sein?

Von Sherif Abed und Laura Wachowitz

Ausgangssituation: Gegensätzlichen Anforderungen begegnen

Die Notwendigkeit für hybride Organisationsmodelle resultiert hauptsächlich aus den gegensätzlichen Anforderungen an die Organisation (Ambidextrie). Einerseits sollen Organisationen stabil und effizient in standardisierten Prozessen laufen (“run the business”), andererseits sich und ihr Umfeld ständig mit innovativen Durchbruchs-Ideen versorgen (“change the business”).

Um dieser Anforderungs-Ambivalenz gerecht zu werden und ein Unternehmen zukunftsfähig zu gestalten, ist ein ganzheitliches Agieren auf den drei Ebenen Strategie, Struktur und Führung/Kultur erforderlich (Stelzl et al., 2020; Úbeda-García et al., 2019).

Welche Organisationsstruktur kann hier helfen? Am weitesten verbreitet sind nach wie vor klassische Ansätze wie die Funktional- oder Matrixorganisation, jedoch mit bekannten Nachteilen wie Komplexität oder der Förderung von Silo-Denken. Im agilen Kontext haben sich hingegen Kreismodelle oder Spotify-Ansätze etabliert.

John P. Kotter, emeritierter Professor für Führungsmanagement an der Harvard Business School und international führender Vordenker für Leadership und Change Management, schlägt in einem Interview mit Brian Leavy, AIB-Professor für strategisches Management an der Dublin City University, Irland, hingegen das duale Betriebssystem als eine mögliche Lösung für die unterschiedlichen Anforderungen vor (2014).

Wie der Name „dual“ bereits sagt, handelt es sich um eine Organisationsstruktur, die zwei parallellaufende Betriebssysteme miteinander kombiniert. Dabei wird die klassische hierarchische Organisationsstruktur durch ein agiles Netzwerk von bestehenden Mitarbeitenden ergänzt. Die erste Komponente nennt Kotter “Management Driven Hierarchy”. Sie gewährleistet Stabilität, Effizienz und Kontrolle und damit den operativen Erfolg einer Organisation. Durch die Integration der zweiten Komponente, dem netzwerkbasierten System “Accelerator Network”, soll die Agilität und Innovationskraft der Organisation gefördert werden (Kotter, 2014).

Abbildung: Das etablierte hierarchische System wird durch eine netzwerkartige Struktur ergänzt, um Innovationen im Unternehmen voranzutreiben und strategische Veränderungen erfolgreich umzusetzen.

 

Praxiserfahrungen: Innovationen ‚Hand in Hand‘ erfolgreich vorantreiben

Kotter (2014) führt fünf Prinzipien auf, die für die Praxis entscheidend sind und sich zehn Jahre danach auch mit unseren Erfahrungen bei HRpepper decken:

Für eine erfolgreiche Umsetzung des Ansatzes der „Zwei Systeme – eine Organisation“ braucht es nicht nur Veränderungen auf struktureller Ebene, sondern auch auf Führungs- und Kulturebene (Kotter, 2014; Stelzl et al., 2020). Mit Blick auf die Dimension Führung ist entscheidend, dass die Führungskräfte Orientierung geben und ihre Teams empowern, um so die Autonomie zu fördern (Schindler et al., 2023).

Die strukturelle Autonomie des zweiten Systems muss gut gesteuert werden, etwa durch „richtiges Involvement“ der Bereiche oder der Minimierung von Zielkonflikten.

Durch die Kombination aus struktureller Autonomie und gesteigerter intrinsischer Motivation können gewünschte Synergieeffekte realisiert werden, sodass Teams in der Praxis teilweise Ergebnisse erzielen, die im Regelbetrieb in der doppelten Zeit nicht möglich gewesen wären.

Aus den strategischen Initiativen heraus braucht es Multiplikatoren, damit die Neuentwicklungen nicht vom „bestehenden System“ abgelehnt, sondern integriert und weiterentwickelt werden (kollektiver Veränderungscharakter).

Folglich lassen sich in der Praxis Lerneffekte innerhalb der Organisation beobachten, durch welche die Mitarbeitenden ihre „alten Jobs“ anschließend besser bewältigen können. Durch die kontinuierliche Anwendung entsteht in der Organisation mehr Empowerment und Mut für Innovation und Change (Stelzl et al., 2020). Dieser Mut wird vor allem durch den Wunsch, etwas verändern zu wollen und nicht zu müssen, angetrieben.

Schlussfolgerung: Rahmenbedingungen müssen stimmen

Ein hybrides Organisationsmodell kann einen entscheidenden Beitrag zur Weiterentwicklung der Organisation im Umgang mit den ambidextren Anforderungen leisten, wenn der „hybride Gedanke“ von klaren Rahmenbedingungen (Strategie und Steuerung) sowie einer unterstützenden Führung und Kultur getragen wird. Diese Faktoren tragen wesentlich zum Grad der Innovationsfähigkeit und Agilität sowie zum langfristigen Erfolg hybrider Organisationen bei.

 

Literatur