In der digitalen Arbeitswelt kommt es (nicht) auf fachübergreifende Kompetenzen an

Die fortschreitende Digitalisierung der Arbeits- und Wirtschaftswelt verlangt von Mitarbeitern und Führungskräften neue Kompetenzen. Und diese beziehen sich nicht nur auf den Umgang mit Technologien. Die Digitalisierung – über sie wird geforscht, über sie wird geschrieben, über sie wird diskutiert. Es fällt schwer, sich diesem Thema zu entziehen, zumal so gut wie die gesamte Wirtschaft davon betroffen ist (Warning & Weber, 2017).

Als einer der Megatrends der aktuellen Zeit gehen damit weitreichende Veränderungen und Folgen einher, die nicht nur Art und Weise der Wertschöpfung der Organisationen, sondern auch die Arbeitswelt der Mitarbeiter der betreffenden Organisationen beeinflussen – angefangen von der Digitalisierung von Geschäftsprozessen hin zu der Art und Weise der Zusammenarbeit der Mitarbeiter als auch Anforderungen an Jobpositionen. Ein mögliches Zukunftsszenario zeigt die bekannte Studie von Frey und Osborne (2013) mit eindrucksvollen Ergebnissen: 47 Prozent aller Beschäftigten in den USA arbeiten derzeit in Berufen, die durch die zunehmende Digitalisierung und Rationalisierung gefährdet und mit einer hohen Wahrscheinlichkeit (> 70 Prozent) in den nächsten 10 bis 20 Jahren automatisiert werden. Bonin et al. (2015) übertrugen das Vorgehen auf den Wirtschaftsraum Deutschland und kamen zu dem Ergebnis, dass 42 Prozent der deutschen Beschäftigten in Berufen mit einer hohen Automatisierungswahrscheinlichkeit tätig sind.

Grundlegende und spezielle IT-Kompetenzen

Die Ergebnisse der Studien skizzieren eine Zukunft der Arbeitswelt, die nicht eintreten muss, aber dennoch eine wichtige Frage für die Wissenschaft aufzeigt: Wenn sich durch die zunehmende Automatisierung die Aufgaben und somit die Anforderungen an den Mitarbeiter verändern, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten werden somit zunehmend an Bedeutung gewinnen, um in der neuen Arbeitswelt bestehen zu können? Dabei ist das nicht nur eine Fragestellung in ferner Zukunft. Beispielsweise zeigt eine Untersuchung zu KMUs im verarbeitetenden Gewerbe, dass 80 bis 95 Prozent der befragten Unternehmen sagen, dass Weiterbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiter erforderlich seien (Icks et al., 2017).

Die Forschungsergebnisse machen klar, dass für den Mitarbeiter im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung ein neues Set an Kompetenzen notwendig wird, um auf dem Arbeitsmarkt zukünftig erfolgreich zu sein (OECD, 2016):

  • Grundlegende IT-Kompetenz: die Fähigkeit, neue Technologien in den Arbeitsalltag zu integrieren und ohne Hürden anzuwenden.
  • Spezielle IT-Kompetenz: die Fertigkeit, aufgrund von IT-basiertem Wissen IT-Produkte und Leistungen wie Software oder Websites zu entwickeln und Dienste wie Cloud und Big Data zu betreuen.
  • Ergänzende IT-Kompetenz: die Fähigkeit, komplexe Informationen zu verarbeiten, Probleme effektiv zu lösen und in schnellen Iterationen und Anpassungen zu arbeiten.

Ergänzt wird die grundlegende IT-Kompetenz durch die e-Leadership-Kompetenz, die dem Suchen und Finden von neuen Einsatzmöglichkeiten von Informations- und Kommunikationstechnologien in der Leistungserstellung oder bei Innovationsprozessen dient (Hüsing et al., 2013).

Kollaboration und Vernetzung werden wichtiger

Neben der intrapersonellen Sicht auf die Kompetenzen ergänzt die Foresight-Studie des Fraunhofer Instituts im Auftrag der Vodafone Stiftung (2016) die Ergebnisse um eine interpersonelle Sichtweise. Sie stellt die zunehmende Bedeutung von Fertigkeiten wie Kollaboration und Vernetzung und damit verbunden kommunikativer und sozialer Fähigkeiten in den Vordergrund. Fachbezogene Kompetenzen werden nach ihrer Aussage an Bedeutung verlieren und somit fachunabhängige Qualifikationen immer wichtiger.

Zusammenfassend ist somit zu beobachten, dass für den Mitarbeiter zwei Kategorien von Kompetenzen relevant sind und an Bedeutung zunehmen werden. Einerseits muss der Mitarbeiter fähig sein, im Einsatz befindliche IT-Systeme ihrer Funktion entsprechend anzuwenden und diese im Sinne der Tätigkeitsvereinfachung zu nutzen. Andererseits muss der Mitarbeiter fähig sein, intensiver und vernetzter mit seinen Kollegen zusammenzuarbeiten und die kommunikativen und sozialen Fähigkeiten zu schärfen.

Im Ergebnis gewinnen die fachübergreifenden Kompetenzen an Bedeutung und zeigen, dass fachbezogene Fähigkeiten eine nachrangige Rolle spielen.

Doch was heißt das für die Organisation von heute und morgen?

Eine Ausbildung in den beschriebenen Kompetenzkategorien ist unabdingbar. Denn der Mensch als Anwender und Betreuer neuer Technologien liefert einen entscheidenden Beitrag zur Umsetzung der Digitalisierung und damit zur fortschreitenden Organisationsentwicklung. Das fehlende Know-how von Mitarbeitern ist einer der größten Hemmnisse für die weitere Umsetzung digitaler Strategien (Icks et al., 2017). Daher ist das gesamte Thema der Digitalisierung nicht nur für Prozessverantwortliche und das Management relevant, sondern in gleichem Maß für die Personalarbeit in der Organisation. Dabei dürfen Personalverantwortliche nicht nur den Fokus auf die Einführung und Verwendung von potenziell effizienzoptimierenden IT-Systemen legen, um die Werthaltigkeit der Personalabteilung gegenüber dem Management darzulegen. Sie müssen vielmehr den Menschen in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen und diesen bei der Digitalisierung unterstützen. Dabei können aufgeführte Kompetenzen bei den Mitarbeitern nachträglich gefördert und entwickelt oder bereits bei der Personalbeschaffung eine Anpassung der Kompetenzprofile sowie Anforderungsbeschreibungen vorgenommen werden. Denn unter Beachtung der Mensch-Maschine-Schnittstelle bedeutet Digitalisierung demnach nicht nur die Einführung digitaler Technologien und der damit verbundenen digitalen Abbildung von Prozessen, sondern auch das Entwickeln der Mitarbeiter, um den Einsatz neuer Technologien zu unterstützen.

Quellen