„Der Gebrauch des Wortes ‚Hybrid‘ im organisationalen Kontext ist alles andere als neu“, sagt Christian Voelkl, Partner bei HRpepper. „Was heute darunter verstanden wird, ist jedoch sehr zeitgeistig.“ Zunächst bestand die Bedeutung ‚Hybrid‘ im Vergleich von Organisationsmodellen wie der Matrix-Organisation und der reinen Produktorientierung. Heute wird damit die Gegenüberstellung von Remote-Work und Arbeiten im Büro beschrieben. Die spannende Frage, mit der wir uns in diesem Artikel beschäftigen, ist: Worum geht es eigentlich, wenn wir sagen, dass eine Organisation „hybrid“ ist?

Die Koexistenz verschiedener „Betriebssysteme“

Wir haben viel gelesen, diskutiert, nachgefragt und sind zu folgendem Schluss gekommen: Eine hybride Organisation zeichnet sich dadurch aus, dass in ihr unterschiedliche organisationale Betriebssysteme koexistieren. Ähnlich wie die Betriebssysteme von Computern, ist das Betriebssystem in einer Organisation ein Regelwerk, das beschreibt, wie diese Organisation funktioniert und nach welchen Spielregeln gearbeitet wird. Systemfremde Anwendungen, die mit dem IT-Betriebssystem nicht kompatibel sind, können aber auch regelmäßig zu Konflikten bis hin zum Abstürzen des Computers führen. Ohne die entsprechende IT-Expertise kann es schwerfallen, die Ursache und eine funktionierende Lösung zu finden.

So ähnlich ist es, wenn in einem Unternehmen mehrere organisationale Betriebssysteme zum Einsatz kommen. Das Vorhandensein mehrerer „Spielregeln“ erscheint erstmal chaotisch. Nach welchen Regeln sollen Prozesse gestaltet werden? Wonach richten sich Rollen aus? Welches Führungsverständnis und welcher Steuerungsmechanismus hat Vorrang?

Wir sind davon überzeugt, dass jede moderne Organisation zu einem gewissen Grad hybrid ist. Selbst, wenn sich die wenigsten so bezeichnen würden – schlichtweg, weil der Begriff anders interpretiert wird oder weil intern niemand den Überblick hat, wie viele verschiedene „Spielregeln“ innerhalb der Organisation wirksam sind.

Hybrid ist mehr als nur die Organisationsstruktur

Auf dem Hoffest im Mai 2021 durften wir mit zwei erfahrenen Personalerinnen über hybride Organisationen diskutieren. Dr. Bettina Volkens, die viele Jahre bei der Lufthansa Group beschäftigt war, zuletzt in der Rolle als Chief Human Resources Officer (CHRO) und Mitglied des Executive Bords, sagte uns: „Hybrid bezeichnet viel mehr als nur die Organisationsstruktur. Es drückt sich in vielen Facetten eines Unternehmens aus.“

Oft erleben wir bei unseren Kunden ein fehlendes Bewusstsein für diese Koexistenz. Die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Steuerungslogiken oder Betriebssystemen sind nicht transparent und werden nicht aktiv bedient. Nach und nach entstehen Konflikte. Erst nach dem Aufdecken, Analysieren und Verstehen der Spannungen, werden die dahinterliegenden Gründe deutlich. Unternehmen wird bewusst, dass die Koexistenz verschiedener Systeme eine aktive Steuerung erfordert, um die Vorteile der einzelnen Systeme voll auszuschöpfen. Nur so profitiert die Organisation als Ganzes davon.

Unsere HRpepper Human Business Design Architektur hilft uns dabei, die diversen Facetten hybrider Organisationen zu erkennen und je nach Bedarf anzupassen. Meist sind es mehrere Dimensionen, die im Einklang miteinander verändert werden müssen.

 

Das Beispiel „Strategie und Steuerung“

Eine der Dimensionen, die dabei oft übersehen wird, ist die „Strategie und Steuerung“. Wie zeigt sich das Hybride in dieser Dimension? Fragen, die wir mit unseren Kunden diskutieren, beschäftigen sich mit dem Verknüpfen unterschiedlicher Strategie- und Planungsansätze in einem übergreifenden Strategieprozess. Konkreter geht es oft um die Kombination von verschiedenen Management-Systemen, Zielvereinbarungssystemen und Zielmessgrößen wie BSC1, OKR2, MBO3 und KPI4.

Ein klassischer Widerspruch, den wir aus Kundensituationen kennen, ergibt sich zum Beispiel, wenn eine Abteilung nach OKR gesteuert wird und zusätzlich Projektziele in den einzelnen Teams vereinbart werden. Ein Projekt bzw. dessen Umsetzung kann selbst auch als Ziel verstanden werden und muss daher im OKR-Planungszyklus berücksichtigt werden. Ressourcen für das Projekt müssen kalkuliert und reserviert, sowie Prioritäten gesetzt werden. Ein häufiger Grund für diese Herausforderung besteht darin, dass unterschiedliche Rollen im Unternehmen Einfluss auf die Priorisierung von Zielen nehmen und diese im eigenen Sinne verändern – etwa das Project Office, die Strategieabteilung oder auch HR. Oft sind sie nicht ausreichend abgestimmt und führen somit das vereinbarte OKR-Set schnell ad absurdum. In der Konsequenz werden die vereinbarten Ziele nicht erreicht. Teams und Mitarbeitende arbeiten wenig fokussiert und sind leichter frustriert, da sie nicht wissen, welcher Priorisierung sie folgen sollen.

Gemeinsam auf der Zielgeraden

Um verschiedene Steuerungssysteme wie OKR und Projektziele sinnvoll miteinander zu verknüpfen, sollten Unternehmen ein besseres Verständnis der Systeme entwickeln und erkennen, dass in diesem konkreten Fall beide sehr verschiedene Flughöhen in der Unternehmenssteuerung bedienen. Die O‘s (Objectives), die direkt aus der Unternehmensstrategie abgeleitet werden, sind der Grundstein für die Definition der KR (Key Results) und stehen somit in direkter Abhängigkeit. Zentral für den Erfolg ist, dass die Personen, die für ein Objective verantwortlich sind, die Befugnis haben, ihr Objective zu „verteidigen“, sodass es für den jeweiligen Planungszyklus nicht von anderen verändert oder umpriorisiert wird. Wird das Objective anschließend in Key Results heruntergebrochen, ist man auf der Flughöhe der Projektziele angekommen. Auf diese Weise lassen sich beide Steuerungssysteme miteinander vereinen.

Was sind eure Erfahrungen zu unterschiedlichen Steuerungsansätzen? Welche Spannungen nehmt ihr aufgrund unterschiedlicher Betriebssysteme in eurer Organisation wahr?

 

1 BSC: Balanced Score Card; 2 OKR: Objective Key Results; 3 MBO: Management by Objectives; 4 KPI: Key Performance Indicator

Teilen