People Analytics: Unternehmen (unter-)schätzen den Wert personalbezogener Daten

Believe it or not

In vielen Unternehmensbereichen liefert die Interpretation enormer Datenmengen längst die Basis für fundierte und wertschöpfende Entscheidungen für den Geschäftserfolg. Die Analyse der unternehmenseigenen personenbezogenen Daten (People Analytics) für die Verbesserung der Personalarbeit wird bisher jedoch mit sehr unterschiedlichen Reifegraden vorangetrieben. Kann eine Einordnung des eigenen Entwicklungsstands eine Orientierung geben und den Einstieg in und Ausbau der People Analytics-Funktion erleichtern?
Von Jannina Töpfer

Ob Financial, Risk & Regulatory, Supply Chain oder Customer Analytics: die Verwendung essenzieller Daten ist in vielen Sparten nicht mehr wegzudenken. Für einige Unternehmen stellt sich jedoch noch die Frage, wie sie diesen Prozess starten, sodass sich die Rolle von HR zu einem strategischen Partner für den Unternehmenserfolg entwickeln lässt.

Dabei ist People Analytics im Personalmanagement nicht neu. Bereits 1984 veröffentlichte der Pionier Jac Fitz-Enz das erste Buch zu diesem Thema mit dem Titel “How to Measure Human Resources Management”. Durch digitale Technologien, Data-Science-Techniken und Big Data erhöhten sich die Notwendigkeit und das Potenzial des Aufbaus spezifischer People Analytics-Fähigkeiten exponentiell. In den unterschiedlichen Phasen des Einstellungsprozesses und des gesamten Zyklus der Personalplanung und -verwaltung (Isson & Harriott, 2016), einschließlich Anwerbung, Akquise, Entwicklung und Bindung von Mitarbeitenden, werden sie bereits eingesetzt. Damit verbunden ist die künstliche Intelligenz (KI), der Bereich mit potenziell disruptiver Innovationskraft. Zu der Anwendung von KI im Personalwesen gehören Szenarien, die von der Fluktuationsvorhersage und Bewerbersuche über die Personaleinsatzplanung bis hin zu Stimmungsanalysen und Datenerfassungen mit intelligenter Informationsextraktion und Self-Services für Mitarbeitende reichen. (Strohmeier & Piazza, 2015; Edwards, 2019; Kryscynski et al., 2017)

Unternehmensinterner Entwicklungsstand von People Analytics

In der Wissenschaft wird People Analytics im engeren Sinne meist als Form evidenzorientierten Managements beschrieben. Mühlbauer, Huff und Süß (2018) hingegen definieren sie als angewandte empirische Verhaltenswissenschaft. Ihrem Ansatz nach wird der Mensch als Individuum oder in Gruppen wie Teams oder Abteilungen und dessen Verhalten im Unternehmen analysiert. Auf dieser Basis werden Ist-Situationen beschrieben, Analysen von Zusammenhängen ausgewertet, Prognosen für die Zukunft gestellt und Handlungsimplikationen abgeleitet.

Unter Einbezug vorhandener wissenschaftlicher Literatur wurde von den Autoren ein Reifegradmodell entwickelt, das eine Einordnung der methodischen Reife der verwendeten analytischen Verfahren im jeweiligen Unternehmen ermöglicht. Die Differenzierung erfolgt in drei grundlegende Entwicklungsstufen und somit Reifegrade von People Analytics (Abb.1). Sie unterscheiden sich in Parametern wie Schwierigkeitsgrad, Werte und Intelligenz:

Die deskriptive Analyse: erste Daten nutzen und Optimierungen treffen

Die deskriptive Analytik beschreibt die Analyse von vergangenheitsorientierten organisationsinternen und -externen (Benchmarking-)Daten sowie von Informationen aus der Personalverwaltung. Das können die Mitarbeitenden- und Auszubildendenzahlen sein, die Rekrutierungs- und Fluktuationsquoten, der Anteil der Vollzeit- bzw. Teilzeitkräfte oder auch das Durchschnittsalter. Hier zeigt sich, ob sich eine Entwicklung im Bereich der Erwartung bewegt. Allerdings wird nicht analysiert, warum es zu dieser Entwicklung kam bzw. wie ihr entgegengewirkt werden kann. Diese Stufe hat demzufolge nur einen begrenzten strategischen Nutzen für HR.

Die prädiktive Analyse: einen Blick in die Zukunft werfen

Die prädiktive Analyse beantwortet die Fragen, was in der Zukunft geschehen wird und warum, zum Beispiel, ob die Einführung variabler Vergütung die Arbeitsleistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beeinflusst. Es geht also darum, datengestützte Erkenntnisse und Entscheidungen auf Basis von Vorhersagen zu treffen. Hier werden statistische Verfahren, Data-Mining und fortgeschrittene Algorithmen integriert, die in der Lage sind, Prozess- beziehungsweise Arbeitsablaufdaten zu analysieren. Auf dieser Stufe können bereits wirksame Stellschrauben zur Beeinflussung personalwirtschaftlicher Zielgrößen und des Unternehmenserfolgs iden¬tifiziert werden.

Die präskriptive Analyse: anvisierte Handlungen identifizieren, um Ziele zu erreichen

Bei der dritten Stufe, der präskriptiven Analytik, geht es darum, Entscheidungsprozesse auf Basis der Datenauswertungen komplett neu zu gestalten. Ereignisse und Entwicklungen der Zukunft werden sichtbar und mit möglichen Folgen für das Unternehmen verknüpft. Strategische Prognosen, wie die Fluktuationswahrscheinlichkeit von Beschäftigten auf der Grundlage identifizierter Fluktuationstreiber, werden transparent. Neben klassischen statistischen Verfahren kommen hier insbesondere auch Verfahren des maschinellen Lernens zum Einsatz, was als Teilbereich der künstlichen Intelligenz verstanden wird (Strohmeier, S., Piazza, F., 2015).

Die Zukunft der Personalarbeit ist datengetrieben

In People Analytics und dessen Reifeentwicklung zu investieren, ist für den Geschäftserfolg essenziell, denn durch datenbasierte Entscheidungen, kluge Algorithmen und prädiktive Modelle, z. B. in Total Workforce Planning, Recruiting oder Talent Management, kann HR seinem strategischen Wertbetrag gerecht werden sowie dessen Transparenz und Objektivität steigern. Nicht zuletzt ist eine objektive Datengrundlage der Schlüssel, um die Bedürfnisse von Kund:innen und Mitarbeitenden auszuwerten sowie Personalprozesse mit größtmöglicher Employee Experience zu gestalten.

 

Abbildung 1: Reifegradmodell für People Analytics von Mühlbauer, D., Huff, & J., Süß (2018)

Quellen