Narzissten sind (nicht) die besseren Führungskräfte

Sie haben einen schlechten Ruf, die Narzissten. Nicht erst seit Freud gelten sie als emotional isoliert, höchst misstrauisch und getrieben von dem Willen, bewundert zu werden. Erreichen sie ihre Ziele, wird ihr individuelles Gefühl von Grandiosität bedient. Fühlen sie sich dagegen in ihrem Ego bedroht, können sie in kürzester Zeit in Rage geraten (Maccoby, 2000).

In der Arbeitswelt werden wir hin und wieder mit Narzissten konfrontiert. Gerade Führungskräften wird häufig unterstellt, eine Tendenz zu narzisstischen Persönlichkeitszügen aufzuweisen. So beschreibt eine Top-Führungskraft von Oracle ihren Chef CEO Larry Ellison mit folgenden Worten: „Der Unterschied zwischen Gott und Larry ist, dass Gott nicht glaubt, Larry zu sein.” (Wilson, 2003). So überrascht es nicht, dass die wissenschaftliche Forschung Belege dafür gefunden hat, dass der typische Narzisst als glücklicher, selbstbewusster und weniger ängstlich als der Durchschnitt gilt, gleichzeitig aber auch erhebliches Potential für einen negativen Einfluss auf die Organisation, deren Kultur und Mitarbeiter und somit auf die Gesamtleistung des Unternehmens in sich trägt (Campbell et al., 2004; Higgs, 2009).

Ist Narzissmus damit nur schlecht, gar bedrohlich für Unternehmen? Nein. Narzissmus kann unglaublich nützlich und sogar notwendig für Organisationen sein! Warum? Weil Narzissmus nicht gleich Narzissmus ist. Die neuere Narzissmus-Forschung macht einen Unterscheid zwischen dem so genannten produktiven und unproduktiven Narzissmus (Maccoby, 2000).

Führungskräfte wie Steve Jobs oder Jack Welch sind gute Beispiele für produktive Narzissten. Sie sind begabte und kreative Strategen, die immer das große Ganze im Blick haben. Die es wagen in einer Welt voller Wandel und ständig neuen Herausforderungen die „richtigen“ Risiken einzugehen. Gerade in Zeiten von Transformationsprozessen sind produktive Narzissten gefragt, denn sie sind es, die den Mut haben, die Organisation durch massive Transformationsprozesse zu bringen und dies mit Charme und rhetorischem Geschick (Higgs, 2009).
Trotzdem bleibt die Gefahr, dass Narzissmus ins Unproduktive, Zerstörerische kippt. Dann nämlich, wenn Narzissten zu Träumern werden, die Unrealistischem hinterher jagen und die Schuld an Misserfolgen den Umständen oder ausgemachten Feinden zuschreiben. Dann kippt narzisstischer Führungsstil schnell ins Destruktive. Die Frage, bis zu welchem Grad Narzissmus als produktiv angesehen werden kann, ist jedoch bis heute noch nicht abschließend durch die Wissenschaft beantwortet (Higgs, 2009).

NarzisstenSo ist und bleibt die Neigung des Narzissten zu Grandiosität, Größenwahn und Argwohn seine Achillessehne, aufgrund derer selbst die brillantesten Narzissten unter den Verdacht von Selbstsüchtigkeit, Unvorhersehbarkeit und in extremen Fällen Paranoia fallen (Maccoby, 2000).

Was lernen wir daraus? Narzissten brauchen Kollegen, um aus ihrem Korsett sozialer Isolation und starken Misstrauens auszubrechen. Diese müssen Beziehungen aufbauen, die es ermöglichen, dass sich die narzisstische Führungskraft öffnet und Vertrauen fasst. Im Idealfall schaffen es die Kollegen, durch ihre Empathie, Loyalität sowie ihre deutliche Anerkennung der Leistungen ihrer narzisstischen Führungskraft, dass diese den Mut aufbringt, sich aus der eigenen Isolation zu befreien. Dann wird auch konstruktive und lösungsorientierte Kritik willkommen sein. Das braucht Zeit, Geduld und viel Vertrauen, denn aufgrund ihrer großen Unabhängigkeit und ihres Selbstschutzes ist es häufig sehr schwierig, Narzissten wirklich nahe zu kommen. Dann aber können narzisstische Führungskräfte Organisationen extrem erfolgreich führen.

Quellen