Künstliche Intelligenz ist (k)ein Hebel für demokratisches Talentmanagement

Die Demokratisierung der Arbeitswelt ist kein neues Phänomen. Bereits seit der Untersuchung demokratischer Führung durch Kurt Lewin in den 1950ern und den anschließenden Diskussionen zu New-Work, New-Leadership und demokratischeren Organisationsmodellen wurden Vorteile und Möglichkeiten in Wissenschaft und Praxis immer wieder thematisiert.

Zwischen Potenzial und Vorbehalt

Heute erhält das Thema durch die digitale Transformation und den Einsatz künstlicher Intelligenz neue Relevanz, denn der zunehmend professioneller eingebettete Einsatz von künstlicher Intelligenz eröffnet neue prozessuale und strukturelle Gestaltungsoptionen und Formen der Zusammenarbeit (Gardini, 2024).

Doch während der Einsatz von KI im Talentmanagement, insbesondere in der Personalauswahl, der Personalentwicklung und dem operativen Talentmanagement in Zukunft unausweichlich wird, ist der tatsächliche Einsatz noch verhalten. Obwohl Unternehmen wie Bayer, Unilever oder American Express bereits Erfolge verzeichnen, werden die signifikanten Möglichkeiten der Qualitäts- und Effizienzsteigerungen durch ethische Bedenken und mangelnde Akzeptanz gebremst (Talent Klima Index, 2023).

Wie KI Talentmanagement transparenter und partizipativer gestalten kann

Im Talentmanagement lassen sich für Unternehmen und Mitarbeitende durch künstliche Intelligenz Potenziale entfalten, die bisher verschlossen waren. So werden nicht nur in der Personalauswahl, der internen Mobilität oder dem Skill-Management Prozessoptimierungen möglich.

Auch die Personalplanung und das Talentmanagement werden grundsätzlich neu gedacht (Bersin, 2024). Durch mehr Kontrolle der Mitarbeitenden über ihre eigene Karriereentwicklung werden diese zu mehr Selbstbestimmung und -verwirklichung befähigt. Personalentscheidungen können objektiver getroffen werden und bisher unidentifizierte Potenziale der Belegschaft frühzeitig erkannt und genutzt werden.

Somit können Unternehmen effektiver Talente binden und entwickeln und in Zeiten von Fachkräftemangel sowie großen Personaltransformationen langfristig Wettbewerbsvorteile sichern (Yanamala, 2024; Agnihotri, Bibhakar et al., 2023).

Durch den gezielten Einsatz von modernen KI-gestützten Talent Intelligence-Plattformen wie Eightfold oder Gloat lassen sich dabei ganz zentrale Aspekte des Talentmanagements demokratischer gestalten. Auch größere Plattformen wie Workday oder Avature haben bereits KI in die Talentmanagement-Module ihrer Lösungen eingebettet. Zentrale Anwendungsfälle von KI im Talentmanagement sind dabei:

  • Automatisiertes Talent-Matching: KI kann auf Basis von Unternehmenszielen, individuellen Präferenzen und Benchmark-Daten Mitarbeitende mit passenden Rollen, Projekten oder Entwicklungsmöglichkeiten verknüpfen, um internes Potenzial bestmöglich zu nutzen.
  • Förderung von Diversität und Inklusion: Durch die Eliminierung menschlicher Biases, also systematischer Fehleinschätzungen, kann KI eine gerechtere Talentförderung ermöglichen.
  • Personalisierte Karrierepfade: KI analysiert auf Basis unternehmerischer Daten, Selbst- und Fremdeinschätzungen sowie umfangreicher externer Benchmarking-Daten Fähigkeiten, Interessen und Karrierezielsetzungen der Mitarbeitenden und schlägt passende Entwicklungsmöglichkeiten vor.
  • Transparente Kompetenzbewertung: Objektive Datenanalysen der KI können dabei helfen, subjektive Verzerrungen in der Talentbewertung zu reduzieren.

Warum der KI-Einsatz aktiv gesteuert werden muss

Obwohl KI enorme Chancen für ein demokratisches, dezentralisiertes Talentmanagement bietet, darf ihr Einsatz nicht unkontrolliert erfolgen. Unternehmen müssen klare Leitlinien entwickeln, um Fehlentwicklungen zu vermeiden (Tusquellas, Palau & Santiago, 2024):

  • Biases in Algorithmen: Wenn KI-Systeme mit Datensätzen, die systematische Verzerrungen enthalten, trainiert werden, können sie bestehende Ungleichheiten verstärken.
  • Datenschutz und Transparenz: Mitarbeitende müssen nachvollziehen können, wie KI-gestützte Entscheidungen getroffen werden, um Vertrauen in die Technologie zu erlangen. Insbesondere Datenquellen, auf die die KI zurückgreift, um individuelle Vorschläge zu entwickeln, sollten transparent aufbereitet und klar kommuniziert werden.
  • Ethische Verantwortung: Der Einsatz von KI sollte mit den Unternehmenswerten abgestimmt sein und nicht ausschließlich wirtschaftlichen Effizienzsteigerungen dienen (Faqihi & Miah, 2023).

Balance zwischen Demokratisierung und Steuerung

Der Einsatz von KI – auch und insbesondere im Talentmanagement – bedarf Mut und der Bereitschaft zu einer kulturellen Transformation. Bei aller Neugierde und Offenheit gegenüber neuen Technologien muss die Nutzung von KI gerade in Bereichen mit sensiblen personenbezogenen Daten mit Bedacht gesteuert werden.

Auch Führungskräfte nehmen eine tragende Rolle bei der zunehmenden Demokratisierung des Talentmanagements ein. Um eine Veränderung im Führungsverhalten zu bewirken und sicherzustellen, dass Führungskräfte die Verantwortung für die Karriereentwicklung an Mitarbeitende abgeben können, sind Trainings oder Coachings denkbar.

Eine solide Datenbasis durch Talent Analytics und die Einbindung in eine übergeordnete HR-IT-Strategie sind essenziell für den Demokratisierungsprozess im Talentmanagement. Strategisch denkende HR-Expert:innen tun gut daran, KI nicht nur für kurzfristige Effizienzsteigerungen zu nutzen, sondern als strategischen Hebel für eine langfristige und zukunftsgerichtete Talentstrategie.

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Talententwicklung

So gelingt Ihr Talentmanagement

Was ist eigentlich ein Talent?

Agnihotri, A., Bibhakar, P., et al. (2023). Artificial Intelligence Shaping Talent Intelligence and Talent Acquisition for Smart Employee Management. EAI Endorsed Transactions on Internet of Things.

 

Faqihi, A., & Miah, S. J. (2023). Artificial intelligence-driven talent management system: Exploring the risks and options for constructing a theoretical foundation. Journal of Risk and Financial Management, 16 (1), 31.

 

Gardini, M. (2024). New Work, New Leadership, New Culture im Tourismus? Zur normativ-kulturellen Dimension der Führung und Zusammenarbeit in einer sich verändernden Arbeitswelt. In New Work, Leadership und Human Resources Management im Tourismus: Konzepte und Instrumente für eine sich verändernde Arbeitswelt (pp. 108-137). Springer Fachmedien Wiesbaden.

 

Talent Klima Index (2023). Ergebnisse 2. Halbjahr 2023. Im Fokus: KI im Talent Management. Hochschule Fresenius, Profil M.

 

Tusquellas, N., Palau, R., & Santiago, R. (2024). Analysis of the potential of artificial intelligence for professional development and talent management: A systematic literature review. International Journal of Information Management Data Insights, 4(2), 100288.

 

Yanamala, K. K. R. (2024). Artificial intelligence in talent development for proactive retention strategies. Journal of Advanced Computing Systems, 4 (8), 13-21.

 

Bersin, J. (2024). HR Tech 2025: AI Redefines the Landscape.

 

Gurtner, A., Clerc, I., & Scheidegger, L. (2021). Digital Human Resource Management: Herausforderungen des Personalmanagements in der digitalen Transformation. In Digital Business: Analysen und Handlungsfelder in der Praxis, 159-181.

 

Avature. (2023). Künstliche Intelligenz im Recruitment und Talentmanagement. Abgerufen von [https://www.avature.net/de/blogs/kuenstliche-intelligenz-im-recruitment-und-talentmanagement/]

 

Eightfold AI. (2024). Talent Management Solutions. Abgerufen von [https://eightfold.ai/products/talent-management/]

 

Lenz, J., Burbach, R., & Jooss, S. (2024). Coopetition im Talent Management – ein konzeptioneller Rahmen für das Talent Management in kleinen und mittleren Unternehmen der Hotellerie der Zukunft. In New Work, Leadership und Human Resources Management im Tourismus: Konzepte und Instrumente für eine sich verändernde Arbeitswelt (pp. 219-234). Springer Fachmedien Wiesbaden.

 

Lytovchenko, I., Terenko, O., Lavrysh, Y., Ogienko, O., Avsheniuk, N., & Lukianenko, V. (2022). Training delivery methods implemented by American companies: Opportunities and challenges in context of knowledge society. Postmodern Openings, 13 (4), 187-198.

 

Personalwirtschaft. (2024). KI-Fachleute erwarten Boom im Talent Management. Abgerufen von [https://www.personalwirtschaft.de/news/recruiting/ki-fachleute-erwarten-boom-im-talent-management-177575/]

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