Coaching bewirkt (nicht) immer Wunder

Wer heute etwas auf sich zählt, lässt sich coachen. Der Coachingmarkt boomt und verzeichnet einen rasanten Wachstum in allen Bereichen: Neben der Nachfrage steigt auch die Anzahl an verzeichneten Coaches – allein in Deutschland sind es 8.000 (DBVC, 2011). Gleichzeitig wächst die Zahl der Zielgruppen und damit das Spektrum an Angeboten. Coaching ist lange nicht mehr der obersten Führungsetage vorbehalten, sondern scheint u. a. Teil der allgemeinen Identitäts- und Sinnsuche zu sein.

Fachverbände, die sich der weiteren Professionalisierung von Coaching verpflichtet haben, verzeichnen einen rasanten Zuwachs. Auch in der Personalentwicklung wird Coaching perspektivisch als eines der wichtigsten Instrumente der Zukunft eingeschätzt (Schermuly & Schröder, 2012).
Und das nicht zu Unrecht. Coaching hat in der Tat zahlreiche positive Effekte. Klienten fühlen sich entlastet, entwickeln neue Sichtweisen, erhöhen ihre Reflexions-, Kommunikations- und Führungskompetenzen und handeln oft effektiver und ertragreicher für ihre Organisationen (Künzli, 2005).

Es stellt sich also die Frage: Ist Coaching unser neues Wundermittel?

Eine Studie von Schermuly und Kollegen (2014) zeigte kürzlich ein anderes Bild. Unabhängig von dem Erfolg eines Coachings wurden in jedem Coaching durchschnittlich zwei negative Effekte gefunden. In Experteninterviews mit 21 Coaches wurden zunächst potentielle negative Effekte von Coachings erfragt. In einer anschließenden Fragebogenstudie bewerteten 123 Coaches Dauer, Häufigkeit und Intensität von definierten negativen Effekten in einem kürzlich von ihnen durchgeführten Coaching. Bereits das Ergebnis hinsichtlich der Häufigkeit überrascht: In 57,4 % der bewerteten Coachings trat nach Angaben der Coaches mindestens ein negativer Effekt auf. Am häufigsten wurden durch das Coaching beim Klienten tiefergehende Probleme angestoßen, die nicht bearbeitet werden konnten (26,0%). Weitere negative Effekte waren z.B. die Verringerung der wahrgenommenen Bedeutsamkeit der eigenen Arbeit (17,1%) oder eine Beziehungsverschlechterung zum Vorgesetzten (13,8%).

Ursachen für das Auftreten der negativen Effekte wurden in den Bereichen (1) Coach, (2) Klient, (3) Organisation des Klienten und (4) Rahmenbedingungen erfragt. Die Ergebnisse sollten klare Implikationen haben für die Coachingpraxis. Auf Seite des Coaches wurde als häufigste Ursache für negative Effekte fehlende Supervision angegeben. Die Klienten hingegen brachten häufig ein zu geringes Problembewusstsein mit und Zeitmangel im Coaching war ein generelles Problem. Geringe Transfermöglichkeiten in der Organisation des Klienten erschwerten es, das im Coaching Gelernte anzuwenden. Als wichtiges Nebenergebnis mit hoher Praxisrelevanz zeigte sich: Je mehr Themen behandelt wurden, desto mehr negative Effekte traten auf.

Wichtig ist dabei, dass Dauer und Intensität des Großteils der negativen Effekte sehr gering waren. Gleichzeitig wurden die Coachings unabhängig von den auftretenden negativen Effekten als sehr erfolgreich eingeschätzt.

Was lässt sich aus diesen Ergebnissen für die Praxis ableiten? Coaching wirkt. Wer auf der Suche ist nach einem Wundermittel, stellt jedoch die falschen Erwartungen an Coaching. Vielmehr gilt es einerseits eine Sensitivität für die richtigen Rahmenbedingungen im Coaching zu entwickeln, um negative Effekte zu vermeiden. Dazu gehört beispielsweise ein gutes Erwartungsmanagement mit dem Klienten, ebenso wie Supervision für den Coach oder eine Begrenzung der Anzahl zu behandelnder Themen. Andererseits gilt es, Coaching als das wahrzunehmen und anzubieten was es ist: ein Instrument zur Unterstützung von tiefgreifenden Veränderungsprozessen, die selten ohne eine bittersüße Note auskommen.

Quellen