Aus Fehlern wird man (nicht) klug

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Die Mail an den Kunden mit dem falschen Angebot versendet, ein Zahlendreher in der Budgetplanung lässt ein wichtiges Projekt platzen, durch einen Coding-Fehler sind Kundendaten plötzlich ungeschützt – Fehler können enorme Konsequenzen nach sich ziehen. Gegenwärtig werden sie allerdings in weiten Teilen glorifiziert, weil Menschen aus ihnen (angeblich) so viel lernen können. Lohnt sich das Fehler machen wirklich?

Für Arbeitsprozesse gilt, dass Fehler nie vollständig vermieden werden können und letztlich arbeitsprozessimmanent sind (van Dyck et al., 2005).
Das ist erst mal kein Grund zum Feiern und hat nicht nur Auswirkungen auf die Organisation, sondern auch auf die Mitarbeiter direkt. Fehler können somit zu menschlichen und wirtschaftlichen Kosten führen (Zapf et al., 1992).
Fehler kratzen ordentlich am Selbstwert, gehen mit negativen Gefühlen wie Angst vor schlechter Bewertung oder gar Bestrafung einher, und lösen folglich Stress aus. Scheel & Hausmann (2013) beschäftigen sich in einer Studie mit der Fehlerkultur im Bereich der Wissensarbeit und verweisen auf die negativen Effekte durch Fehler. Des Weiteren können Fehler als erschöpfend empfunden werden, da sie zielgerichtetes Verhalten und damit das tatsächlich Erreichen eines Ziels stören. Die zusätzliche Erwartung, für einen begangenen Fehler sanktioniert zu werden, verstärkt diese negativen Effekte und endet meistens in Stress (Zapf et al., 1992).

Wir sind zur Fehlervermeidung erzogen

Die Sozialisation in der westlichen Welt ist nach wie vor auf Fehlervermeidung ausgerichtet. Spätestens in der Schule lernen wir, dass es auf „richtig“ oder „falsch“ ankommt. Unser Bildungssystem ist auf Leistung eingenordet und der stetig wachsende Leistungsdruck ermutigt nicht gerade dazu, großzügig Fehler zu machen. Starke Hierarchien in Unternehmen stehen im Widerspruch zum guten alten „aus Fehlern wird man klug“ (Lipowsky, 2015).

Allerdings: Ein starkes Fehlervermeidungsverhalten hemmt Kreativität, Innovation und das Lernen. In einer Arbeits- und Wirtschaftswelt, die wir mit VUCA beschreiben, sind diese Kompetenzen erfolgskritisch. Wer sich nicht stetig weiterentwickelt und lernt, wird abgehängt. Dies gilt vor allem in stark wissens- und innovationsgetriebenen Arbeitsbereichen.

Lipowsky (2015) hat in seiner Metastudie „Error culture and self regulation“ aufgezeigt, dass eine offene Fehlerkultur positiven Einfluss auf das Individuum und die Organisation hat. Sie ist verbunden mit einer besseren Performance und höheren Effektivität, die Zusammenarbeit wird gestärkt, es entsteht ein Klima besseren gegenseitigen Austauschs und Verständnisses. Auf der individuellen Ebene wird die Fähigkeit zur effektiven Selbstregulation gefördert.

Selbstregulation beschreibt unseren Umgang mit Gefühlen, Impulsen und Handlungen sowie deren zielgerichtete, absichtsvolle Steuerung. Auch die Kompetenz, kurzfristige Ziele und Bedürfnisse längerfristigen Zielen unterzuordnen gehört dazu. Voraussetzung für eine positive bzw. gelungene Selbstregulation ist die Fähigkeit, sich selbst und das eigene Denken zu reflektieren – die sogenannte Metakognition.

Selbstregulation und Metakognition sind wichtige Kompetenzen für Menschen, die in Umfeldern arbeiten, die durch eine hohe Eigenverantwortlichkeit, ein großes Maß an Selbststeuerung, Komplexität und Veränderungsdruck geprägt sind. Wissensarbeiter, Entwickler und Manager, die in agilen Umfeldern gestalten und Entscheidungen treffen sind Beispiele hierfür (Schmidt, 2007).
Die Effizienz im Einsatz von Selbstregulation wird besonders durch Stressfaktoren reduziert, die mit negativen Gefühlen einhergehen und als Bedrohung zusammengefasst werden. Insbesondere in kreativen Arbeitskontexten ist die Angst davor, einen Fehler zu begehen, kritisch. Sie führt zu einer Hemmung der Fähigkeiten und hindert damit auch ein erfolgreiches Arbeiten (Weingardt, 2004).

Wie wird man nun aus Fehlern klug?

Selbstregulation und die Fähigkeit das eigene Denken zu reflektieren, sind grundlegende Voraussetzungen für unser Lernen. Stressfaktoren wie Angst und andere negative Gefühle wirken sich selbstredend negativ auf die Selbstregulationsfähigkeit aus und hindern uns am Lernen und kreativ Denken (Bandura, 1990).

Lipowsky (2015) folgert daher aus den Ergebnissen seiner Metastudie, dass die Basis für eine wirksame Selbstregulation für Mitarbeiter im Unternehmen eine gelebte Fehlerkultur ist.

Von der Fehlerkultur zur Lernkultur

Fehler – nicht deren Vermeidung – bieten Gelegenheiten, um zu Lernen und sich zu reflektieren.
Man kann den Bogen hier gerne weiter spannen: Von der Fehlerkultur zu einer Lernkultur, die Reflexionsräume und -prozesse etabliert und unterstützt, die einen in die Zukunft gerichteten Dialog zulässt und Fehler in Lernchancen umdeutet. Weniger den Fehler und das Scheitern feiern – sondern die Chance auf ein Learning für die Zukunft fokussieren. Dann werden Mitarbeit aus Fehlern klug und die Organisation wächst mit ihnen.

Quellen: