HR Pepper Team 08/09-2017

Zahlreiche Unternehmen haben derzeit die Herausforderung, ihr Talent Managements neu zu gestalten. Es soll vor allem agiler werden. Greta Müller, Consultant bei HRpepper, sagt im Interview, ob das überhaupt zusammengeht: Talent Management und Agilität.

Greta, mein Eindruck ist, dass viele Unternehmen mit ihrem aktuellen Talent Management nicht zufrieden sind. Wie nimmst Du die Diskussion zu dem Thema derzeit wahr?
In der Tat scheint die Frage nach der Zukunft des Talent Management gerade viele Unternehmen umzutreiben. Der Faktor Mensch als zentraler Erfolgsfaktor in der digitalen Transformation rückt stärker in den Fokus. Talente zu finden, zu entwickeln und an die eigene Organisation zu binden, ist zwar so wichtig wie eh und je. Zusätzlich merken wir aber, dass die Talente neben den klassischen Anreizen neue Ansprüche an ein solches Talent Management mitbringen – mehr Eigenverantwortung, flexiblere Karrierepfade und Individualität werden immer wichtiger. Diese Ansprüche können bestehende Talent-Management-Programme in vielen Fällen nicht erfüllen.

Was sind in Deinen Augen die größten Herausforderungen, um ein Talent Management zu gestalten, das auf der Höhe der Zeit ist?
Zunächst ist die Frage zu klären, wer eigentlich ein Talent ist. Die ursprüngliche Definition vom High Performer mit hohem Entwicklungspotenzial scheint breiter zu werden. Sind nicht zum Beispiel Querdenker, die neue Wege erfinden, Bestehendes in Frage stellen und vielleicht auf den ersten Blick „durchs Raster“ fallen, genauso relevant, um ein Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen? Manche behaupten sogar, in einer agilen Arbeitswelt sei jeder ein Talent und selbst für das eigene Talent Management verantwortlich. Die Wahrheit lieg wahrscheinlich irgendwo in der Mitte und es gilt für jede Organisation, selbst herauszufinden, wer ihre relevanten „Talente“ sind. Des Weiteren gilt es, neue Wege zu finden, um die Talente zu identifizieren. Meist passiert dies ja aktuell über klassische Nominationsprozesse durch die Vorgesetzten oder diverse Talent-Runden. Solche Nominations- und vor allem Entscheidungsprozesse müssen neu bewertet und womöglich neugestaltet werden.
Und schließlich liegt eine zentrale Herausforderung darin, das Thema Talententwicklung neu anzugehen. Hier braucht es eine ausreichende Balance zwischen Struktur und Prozessen einerseits und Freiraum für Partizipation, Selbstgestaltung und Individualität andererseits. Nichtsdestotrotz sollten wir uns generell von den starren Karrierepfaden und der Qualifizierung eines gesamten Talent Pools nach dem Gießkannenprinzip lösen. Individualität und Bedarfsorientierung müssen an erster Stelle stehen.

Viele Unternehmen versuchen der Eigenverantwortung des Einzelnen stärker Rechnung zu tragen, indem sie zum Beispiel Selbstnomination ermöglichen. Was muss in deinen Augen jedes Talent Management heute in jedem Fall leisten können?
Eigenverantwortung ist auf jeden Fall die zentrale Komponente eines modernen Talent Managements. Die Selbstnomination ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin, der für viele Unternehmen bereits einen Kulturwandel darstellt. Wenn man diesen Schritt zu Ende denkt, muss man sich allerdings als nächstes fragen: Wer entscheidet darüber, ob ein (selbst-)nominierter Mitarbeiter als Talent gilt? Auch diese Entscheidung wird aktuell meist Top-Down durch Einordnung des Mitarbeiters in ein Talent Grid getroffen.

Woher kommen die dafür relevanten Informationen?
Für ein modernes Talent Management muss stärker auf das vorhandene Wissen im Unternehmen zurückgegriffen werden. Peer-Nominationen und Peer-Feedback sind Beispiele. Nicht zuletzt können uns Daten aus dem Bereich People Analytics bereits heute viel mehr über unsere möglichen Talente erzählen, als wir aktuell wissen.

Oft wird gefordert, dass das Talent Management agiler werden müsse. Geht das überhaupt zusammen: Agilität und Talent Management?
Auf den ersten Blick mag das wie ein Widerspruch klingen. Das „Managen“ von Talenten hört sich nach zentraler Steuerung und langfristiger Planung an und klingt wenig agil. So widersprüchlich muss es aber gar nicht sein. Wenn wir mit agil flexibel und anpassungsfähig meinen, dann geht das durchaus zusammen: agil und Talent Management. Unternehmen müssen sich aber von ihren bewährten Strukturen lösen und alte Zöpfe abschneiden, um auf die neuen Anforderungen reagieren zu können.


Greta Müller ist Consultant bei HRpepper. Sie begleitet als Trainerin und Beraterin Menschen und Organisationen dabei, Antworten auf die Fragen nach der Zukunft ihrer Arbeit zu finden.

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