Verwendung von Smartphones außerhalb der Arbeitszeit ist (nicht) schlau

Smartphones sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken – weder im Arbeitskontext noch in der Freizeit. Und während beide Bereiche sich immer weniger voneinander trennen lassen, stellt sich die Frage nach den Effekten einer beruflichen Handy-Nutzung außerhalb des Büros. Sind die Auswirkungen eher positiv oder eher negativ?

Die meisten von uns schalten ihr Smartphone so gut wie niemals aus, tun kaum einen Schritt, ohne sicherzustellen, dass ihr mobiles Endgerät sie begleitet. Und während die einen ein Loblied auf die mit durch mobiles Internet ermöglichte Effizienz und Vereinbarkeit sonst getrennter Lebensbereiche singen, sind die anderen voller Sorge um negative Effekte einer möglicherweise um sich greifenden „digitalen Demenz“ (vgl. Spitzer, 2012). Diese Debatte ist besonders relevant, da mehr und mehr Mitarbeiter vom Arbeitgeber mit Smartphones ausgestattet werden und damit die Entscheidung über die Nutzung von Smartphones im Alltag keine rein private mehr ist.

Eine oftmals vorgebrachte Sorge ist, dass die (implizite oder explizite) Erwartung an ständige Erreichbarkeit und unmittelbare Beantwortung von Anfragen zum Verschwimmen der Grenze zwischen Arbeit und Privatleben und damit zu vermehrtem Stress bei Arbeitnehmern führt. Der englische Fachausdruck hierfür ist die Work-Home-Interference (WHI). Dieser bezieht sich auf die negativen Auswirkungen einer Vermischung der beiden Kontexte insbesondere durch damit einhergehende Rollenkonflikte. Es konnte gezeigt werden, dass höhere WHI-Werte mit vermehrtem Schlafmangel und einem erhöhten Burnout-Risiko einhergehen (vgl Bakker & Geurts, 2004). Forscher vom Department of Work and Organizational Psychology in Rotterdam haben sich diesen Zusammenhang näher angesehen und fanden heraus, dass Nutzer, die starken Gebrauch von ihren Arbeitshandys nach der offiziellen Arbeitszeit machten, in der Tat einen deutlich erhöhten WHI-Wert haben (Derks et al., 2015), aber auch, dass dieser Zusammenhang durch drei Einflussfaktoren maßgeblich moderiert wird: Die Erwartungen des direkten Vorgesetzten hinsichtlich der Erreichbarkeit seiner Mitarbeiter, das von den Kollegen vorgelebte Verhalten (also ob diese ebenfalls erreichbar waren) und das Arbeitsengagement (Work Engagement) des jeweiligen Mitarbeiters selbst.

Die Erwartungen des Chefs spielen eine große Rolle

Hatten die Mitarbeiter also die Annahme, dass ihr Chef Erreichbarkeit und die Bearbeitung von Arbeitsaufgaben nach Feierabend von ihnen erwartet, so war der WHI-Wert deutlich höher, als bei Personen, die genauso viel Zeit mit arbeitsrelevanten Aufgaben am Smartphone verbrachten, diese Annahme aber nicht hatten. Derselbe Effekt zeigte sich für die durch Kollegen geprägte soziale Norm.

Überraschend ist, dass ein höheres Arbeitsengagement zu einem deutlich verringerten Zusammenhang zwischen WHI-Werten und Smartphone-Nutzung führte. Die naheliegende Erklärung hierfür ist, dass Personen, die sich stark mit ihrer Arbeit identifizieren und gerne einbringen, Arbeit nach dem offiziellen Feierabend schlichtweg als weniger störend empfinden und daher weniger Rollenkonflikte erleben.

Eine weitere Erklärung lässt sich aus der Interferenz-Forschung ableiten. „Interferenz“ bezeichnet dabei die Überlagerung von einer Aufgabe mit einer anderen, wobei es zu einer Störung bei der Bearbeitung der aktuellen Aufgabe durch diese Überlagerung kommt. Wenn also eine Aufgabe noch nicht ganz abgeschlossen werden konnte und mich geistig noch beschäftigt, während ich bereits zur nächsten übergehe, liegt Interferenz vor. Die Leistungsfähigkeit bei der dann aktuellen Herausforderung ist durch diese Störung geringer. Die kann auch der Fall sein, wenn ich eine Arbeitsaufgabe noch nicht abgeschlossen habe, mich aber auf die aktuellen Anforderungen meines Privatlebens konzentrieren möchte. Die noch nicht abgeschlossene Aufgabe sorgt dafür, dass ich mich weiterhin mit den damit verbundenen Fragestellungen beschäftige und damit nicht voll und ganz auf das konzentrieren kann, was aktuell ansteht. Mitarbeiter mit hohem Work Engagement bringen Arbeitsaufgaben eher zu Ende, als solche mit niedrigerem Arbeitsengagement (vgl. Halbesleben & Wheeler, 2008). Die Vermutung liegt nahe, dass diese Mitarbeiter ihr Smartphone eher dazu nutzen, noch offene Aufgaben abzuschließen um anschließend besser abschalten können.

Das Abspeichern von Informationen hilft

Gestützt wird diese Annahme durch Forschung von Storm und Stone (2015), die positive Effekte auf die Merkleistung von neuen Informationen nachweisen konnten, wenn Personen die Möglichkeit gegeben wurde, vorherige Informationen auf ihrem Computer oder Smartphone zu speichern.

Durch die Speicherung vorheriger Informationen werden diese als „abgeschlossen“ betrachtet; sie müssen nicht mehr aktiv im Gedächtnis behalten werden und die Bahn ist frei für die neue Denkaufgabe. Dies gilt für alle möglichen Informationen, die wir uns durch die fast ständige Verfügbarkeit von Smartphones nicht merken, sondern abspeichern oder auch einfach nachschauen können. Für die Praxis heißt dies einerseits, dass die Hoffnung, die Arbeitsleistung weniger engagierter Mitarbeiter über die Bereitstellung von Arbeitshandys verbessern zu können, schnell ins Gegenteil umschlagen kann. Gleichzeitig scheint die Nutzung von Smartphones für arbeitsrelevante Aufgaben außerhalb der Arbeitszeit an sich nicht das Problem zu sein. Vielmehr gibt die bei der Arbeit vermittelte Erreichbarkeits-Norm den Ausschlag. Hier ist eine klare Erwartungshaltung bezüglich der Erreichbarkeit außerhalb der offiziellen Arbeitszeit und eine Begrenzung dieser Erwartung auf wirklich zeitkritische Aufgaben empfehlenswert. Bei gezieltem Gebrauch von Smartphones zur Erledigung noch offener Aufgaben oder zum Speichern von Informationen kann sogar ein positiver Effekt durch eine Reduktion möglicher Interferenz erzielt werden.

Quellen