Teilzeitarbeit macht (un)glücklicher

In den meisten deutschen Arbeitsverträgen ist eine 40-Stunden-Woche festgelegt. Das macht ungefähr ein Viertel unserer Zeit pro Woche aus. Wenn wir jedem noch sieben Stunden Schlaf zusprechen, bleibt nicht einmal die Hälfte unserer Zeit für andere Dinge. Wobei außer Acht gelassen ist, wie viele Minuten pro Tag z.B. auf dem Arbeitsweg verfallen. Auch dass die Deutschen mit 2,7 Überstunden pro Woche Europas Spitzenreiter sind, sei hier nicht einbezogen. Deutlich besser hat es da doch, wer statt einer vollen, eine Stelle mit reduzierter Arbeitszeit hat. Damit ist Zeit geschaffen für ausgiebige Freizeitgestaltung und den Ausbau von Interessen. Wäre da nur nicht das Problem mit dem lieben Geld. Welches Glück, ja gar Luxus, ist es, wenn man es sich leisten kann, nicht Vollzeit arbeiten zu müssen. Wäre der monetäre Aspekt nicht, dann würde doch jeder sofort seine Arbeitsstunden reduzieren und mit sinnvolleren Tätigkeiten sein Leben gestalten. Oder etwa nicht?

Eine Studie von Martin Fritz (2015) untersucht, inwiefern eine geringere Arbeitszeit tatsächlich zufriedener macht. Die Zufriedenheit der unterschiedlichen Beschäftigungsgruppen (unterteilt in Vollzeit und Teilzeit) wird dabei an der Diskrepanz zwischen tatsächlichen und präferierten Arbeitsbedingungen gemessen. Von einer guten Arbeitsqualität wird gesprochen, wenn diejenigen Aspekte eine hohe Qualität aufweisen, die den Beschäftigten auch gleichzeitig besonders wichtig sind.

Vor diesem Hintergrund lässt es sich erklären, dass die scheinbare Ungerechtigkeit, dass Teilzeit-Beschäftigte trotz gleicher Ausbildung einen deutlich niedrigeren Stundenlohn erhalten, subjektiv betrachtet von deutschen Teilzeitlern nicht als Diskriminierung empfunden wird (S. 11). Wer in Teilzeit arbeitet, gibt an, dass die Höhe des Gehalts ihm nicht so wichtig ist wie andere Faktoren. Erklären lässt sich das mit der Offenlegung, wer hierzulande eigentlich mit reduzierten Stunden arbeitet. Es sind verheiratete Frauen im Alter von durchschnittlich 45 Jahren, in deren Haushalt ein oder mehrere Kinder leben, und die einen Partner haben, der ebenfalls erwerbstätig ist. Schnell wird damit klar: Die großen Massen sind es (noch) nicht, die weniger arbeiten, um mehr Freizeit zu haben. Hauptantriebsquelle sind nach wie vor die Kinder, einhergehend mit einer Mentalität der Gesellschaft, in der ein Mann als Haupternährer der Familie gilt (S.7f).

In Schweden etwa stellt sich diese Situation gänzlich anders dar. Hier machen Frauen immerhin nur 73% der Teilzeitbeschäftigten aus. Mit durchschnittlich 37 Jahren sind sie nicht nur deutlich jünger als die Deutschen sondern zudem auch noch häufig Single und kinderlos. Es wäre jedoch ein Trugschluss anzunehmen, dass diese Ausgangslage darauf zurückzuführen wäre, dass man im Norden einen größeren Freizeitdrang verspüre, selbst wenn man damit auf Geld verzichtet. Tatsächlich liegt die Begründung darin, dass in Schweden auch verheiratete Mütter eine Vollzeitbeschäftigung anstreben. Eine Teilzeitstelle wird hier als minderwertig betrachtet. Wer weniger Stunden arbeitet, befindet sich meistens im Berufseinstieg und hat zu allem Übel auch noch einen befristeten Vertrag. Zufriedenheit sieht anders aus.

Dieser Ländervergleich macht eines sehr gut deutlich: Zufriedenheit hat nicht nur etwas mit der eigenen Erwartungshaltung zu tun, sondern auch mit der Sozialisierung und den damit einhergehenden Werten einer Gesellschaft. Betrachten wir dennoch neben der extrinsischen Arbeitsqualität „Einkommen“, auch intrinsische Merkmale, wie Autonomie und Vielfalt bei der Arbeit. Wer selbst entscheiden darf, wie konkrete Aufgaben erledigt werden, übernimmt Verantwortung für eine Sache. Es fällt ihm daher leichter sich mit seiner Arbeit zu identifizieren, was sich positiv auf die Arbeitsqualität auswirkt. Dabei spielt es keine Rolle, ob jemand Voll- oder Teilzeit arbeitet. Teilzeitkräfte werden bei dem Wunsch nach Autonomie jedoch nachweisbar benachteiligt, wobei insbesondere die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit auffällt. Nur weil jemand weniger Zeit im Job verbringt, heißt das somit nicht, dass er kein eigenverantwortliches Arbeiten anstrebt (S. 23f).

Gleichermaßen wichtig ist für alle Berufsgruppen eine gewisse Vielfalt und Abwechslung im Job. Auch hier werden Teilzeitarbeitende oft enttäuscht. Sie dürfen deutlich weniger diversifizierte Aufgaben übernehmen. Es ergibt sich somit ein klares Bild: Die intrinsische Arbeitsqualität ist in Teilzeitjobs niedriger als bei vollen Stellen. Nun könnte der Eindruck entstehen, dass alle Teilzeitbeschäftigten bezüglich ihrer Arbeit im Grunde unzufrieden sind: Sie haben bei geringerem Stundenlohn weniger abwechslungsreiche Jobs, als Vollzeitbeschäftigte, dürfen kaum eigene Entscheidungen treffen, sind nur selten Führungskraft und kämpfen in Schweden zudem mit befristeten Verträgen. Interessant ist jedoch die Erkenntnis, dass länderunabhängig der Wunsch nach Vereinbarkeit zwischen (Familien-)Leben und Beruf bei Vollzeitbeschäftigten ebenso stark ausgeprägt ist, wie bei den Teilzeitkollegen. Für das Ziel einer geeigneten Balance zwischen Privatem und Beruf sind die Hälfte aller Männer und zwei Drittel aller Frauen bereit, auf weitere Karriereschritte zu verzichten. Zugunsten eines erfüllten Privatlebens nehmen sie Abstriche im Job in Kauf ohne dies dabei als Nachteil zu empfinden. Und hier scheint endlich ein Pluspunkt der reduzierten Arbeitszeit: Obwohl den Vollzeitbeschäftigten der Ausgleich zwischen (Familien-)Leben und Beruf gleichermaßen wichtig ist, sind die Teilzeitkollegen nachweisbar zufriedener was diese Balance anbelangt. Der Aspekt „Zeit“ kann somit als einer der Hauptindikatoren von Zufriedenheit betitelt werden. Er ist sogar so bedeutend, dass viele andere Nachteile in Kauf genommen werden. (Hammermann et al. 2015).

An der Stelle kann es sich lohnen, über Alternativen nachzudenken. Beispielsweise das schwedische Modell des 6-Stunden-Tages, das dort in einzelnen Unternehmen und seit einem Jahr auch in der Stadtverwaltung Göteborgs praktiziert wird (stern.de 2015). Voraussetzung für die Verkürzung des Arbeitstages war es, dass die Effizienz nicht darunter leidet. Und allem Anschein nach funktioniert dies besser als gedacht. Die Großmolkerei Tine etwa verzeichnete nicht nur einen nötigen Anstieg der Effektivität um 20%, sondern sogar um 50%. Darüber hinaus melden alle Probanden eine deutliche Senkung des Krankenstandes. Die Rechnung, dafür vor allem im Dienstleistungssektor weitere Arbeitsplätze schaffen zu müssen, könnte also aufgehen – auch für die jeweilige Politik des Landes, die dadurch z.B. eine Senkung der Arbeitslosenquote verzeichnen dürfte.

Quellen