Strategieentwicklung ist oft (k)ein emotionales Missverständnis

Emotionale Dynamik, die sich in strategischen Abstimmungen entwickelt, beeinflusst den Strategieprozess.

Worum geht es im Grundsatz:

Strategie als Ergebnis des Strategieentwicklungsprozesses kann unterschiedlich definiert werden. So beschreibt Pümpin das Ergebnis als „strategische Erfolgsposition“, Porter erklärt es als „Competitive Advantages“, Gälweiler fasst es als „Erfolgspotenziale“ bzw. „Erfolgsfaktoren“ zusammen. Zahlreiche Werke der Fachliteratur zum Thema Strategieprozess vermitteln den Eindruck, dass die Wertigkeit des Ergebnisses eines Strategieprozesses von der Art und Weise der Durchführung abhängig ist. Dabei konkurrieren Vier-Phasen- mit Sechs-Phasen-Modellen, intuitive Strategieentwicklung mit expertenorientierter Strategieentwicklung. Doch welchen Einfluss haben Emotionen im Strategieprozess? Dieser Fragestellung geht die Studie „Emotional Dynamics and Strategizing Processes: A Study of Strategic Conversations in Top Team Meetings“ nach. So wird hinterfragt, wie Gefühle den diskursiven Strategieentwicklungsprozess beeinflussen. Dabei analysierten die Wissenschaftler einzelne soziale Situationen (Mikro-Ethnographie) um Erkenntnisse bezüglich einzelnen Verhaltensmustern gewinnen zu können. Über mehrere Wochen wurden die Strategiemeetings eines Hightech-Unternehmens zu zehn strategierelevanten Themen begleitet. Bisher haben bereits zahlreiche Studien die Bedeutung von Emotionen in Strategien nachgewiesen. Eine Vielzahl dieser Studien konzentrierte sich dabei jedoch auf den Einfluss der Emotionen eines Einzelnen und vernachlässigte bei der Analyse die emotionalen Reaktionen der Anderen.

Aus Untersuchungen bezüglich des Einflusses von Emotionen in Gruppen ist bekannt, dass emotionale Signale eine große Wirkung auf die Gruppendynamik und auf Prozesse wie beispielsweise Entscheidungsfindungen haben können. Gerade diese Erkenntnis kombiniert mit der Feststellung, dass sich bisherige Untersuchungen eher auf kleine Ausschnitte des Strategieentwicklungsprozesses und das emotionale Verhalten eines einzelnen Teammitglieds konzentrierten, motivierte zur vorliegenden Studie.

Strategieentwicklungsprozesse sind eher längerfristige Aktivitäten, die durch die emotionale Dynamik aller Teammitglieder beeinflusst werden. Die Erkenntnis der Untersuchung besteht aus fünf unterschiedlichen emotionalen Dynamiken in fünf Strategieentwicklungsprozessen, welche sich unterscheiden durch:

  • Die Art und Weise, wie Themen vorgestellt werden,
  • Wie diese Themen diskutiert werden,
  • Wie die Themen evaluiert werden,
  • Und wie Entscheidungen zu dem Thema getroffen werden.

Das Ergebnis der Studie liegt in der Feststellung fester Beziehungen zwischen den fünf emotionalen Dynamiken und den fünf unterschiedlichen Qualitäten der Strategieentwicklungsprozesse.

Energetischer Austausch – alle Teammitglieder interagieren angeregt während der gesamten Diskussion und zeigen dabei gelegentliche Anzeichen von Vergnügen. Dies führt zu einem Generativen Strategieentwicklungsprozess.

Angeregte Auseinandersetzung – ein Teammitglied reagiert auf die Themenvorstellung des Teamleiters angeregt, gefolgt von einer aktiven und lebhaften Gruppendiskussion die letztlich zu einer höheren Gruppenzufriedenheit führt. Das Ergebnis ist ein Integrativer Strategieentwicklungsprozess.

Unbeteiligter Austausch – die stärker werdende Aufforderung eines Teammitglieds, Unterstützung zu leisten und Vorschläge zu unterbreiten, führt zu scherzhaften und normativen Reaktionen, die beim Anfragenden zu Frustration, Verdruss und Ausschluss führt. Die Folge ist ein Zerbrechender Strategieentwicklungsprozess.

Wiederholte Konfrontation – zwei Teammitglieder greifen wiederholt die Vorschläge des anderen Teammitglieds an, wobei ein Mitglied intensive negative Emotionen zeigt, das andere Teammitglied allerdings intensive positive Emotionen erkennen lässt. Ein Stagnierender Strategieentwicklungsprozess wird begünstigt.

Zermürbendes Sperrfeuer – die permanente Zurschaustellung negativer Gefühlsregungen eines Teammitglieds überlagert die intensiven positiven Emotionen und führt zu einem deutlichen Energieverlust im Prozess. Das Ergebnis ist ein Verkürzter Strategieentwicklungsprozess.

Neben der Erkenntnis, dass es eine Beziehung zwischen Emotionen und der Art und Weise des Strategieentwicklungsprozesses gibt, wurde auch eine weitere Dimension, die der Dringlichkeit des zu diskutierenden Themas, als wichtiger Einflussfaktor identifiziert. So wurde festgestellt, dass Themen, die keine Entscheidung oder Aktivität bedürfen, einen intensiven, energetischen Austausch ermöglichen. Bei Bedarf von kurzfristiger Entscheidung oder Aktivität wurde entweder ein humorvoller und unterhaltsamer Austausch motiviert, oder der weitere Verlauf der Diskussion durch emotionales Kräftemessen dominiert. Als übergreifende Erkenntnis hebt die Studie hervor, dass emotionale Reaktionen aufeinander Beziehungsdynamiken verursacht, die wiederum Einfluss nehmen auf die Art und Weise der Verständigung und das Prozessergebnis. Weiterhin konnte festgestellt werden, dass Themen, die keinen akuten Entscheidungsbedarf verlangen, wesentlich stärker energetisch aufgeladen besprochen werden, und damit leichter einem Einigungsprozess zugeführt werden können.

Quellen