Gen Y ist (nicht) wechselfreudiger, als ältere Generationen

Viele Mythen ranken sich um die „Generation Y“, die Generation der Geburtenjahrgänge von ca. 1980 bis 2000. Auch „Millennials“, „Nexters“ oder „Generation Me“ sind gängige Bezeichnungen. Mit diesen schwingen nicht selten negative Zuschreibungen mit. So wird der „Gen Y“ eine größere Wechselfreudigkeit zwischen Jobs bzw. Arbeitgebern unterstellt: Die Vertreter der Gen Y sind selbstfokussierter und fordernder, sie geben sich nicht leicht zufrieden, wollen Freiräume und fragen öfter nach dem „Y“ („why“) als ihre Vorgänger. Was passiert, wenn das nicht erfüllt wird? Sie wechseln dorthin, wo sie sich besser aufgehoben fühlen (Zeit Online/ Bund, Heuser, & Kunze, 11.03.2014). Kurz: Der Gen Y wird im Vergleich zu der vorhergehenden „Generation X“ sowie den Baby Boomern (Jahrgänge bis ca. 1965) eine geringere Loyalität bzw. geringeres Commitment zu ihrem Arbeitgeber unterstellt (vgl. SHRM Online/ Kathy Gurchiek, 11.10.2009).

So augenscheinlich zutreffend diese Annahmen sein mögen, die Forschung kann auf die Frage nach einer höheren Wechselbereitschaft unter Gen Y-Vertretern wie auch generell nach generationenspezifischen Unterschieden in arbeitsbezogenen Werten, Einstellungen, und Präferenzen keine pauschale Antwort liefern. Grund hierfür ist vor allem die sogenannte „Alter-Perioden-Kohorten-Konfundierung“: Kein Forschungsdesign kann gleichzeitig sowohl Generationen-/ Kohorteneffekte (Unterschiede bedingt durch Generationszugehörigkeit), Alters-/ Lebenszykluseffekte (Unterschiede bedingt durch das Lebensalter), als auch Periodeneffekte (Unterschiede bedingt durch historischen Kontext) vollständig voneinander isolieren. Lediglich Alters- und Generationeneffekte können voneinander getrennt werden. Zum einen in Längsschnitt-/ Panelstudien, d. h. Beobachtungen ein und derselben Personengruppe zu mehreren aufeinanderfolgenden Zeitpunkten, zum anderen in sogenannten time lag-Studien, die Beobachtungen verschiedener Generationen zu ein- und demselben Lebensalter analysieren.

Damit sind aber Periodeneffekte nicht getrennt: Ein 1980 20-jähriger Baby Boomer ist in einem anderen historischen Kontext aufgewachsen als der 2010 20-jährige Gen Y-Vertreter. Allerdings wird gerade dies als wichtiger Erklärungsansatz für Generationenunterschiede gesehen (Lyons & Kuron, 2014): Gemeinsam geteilte Erfahrungen im selben zeitgeschichtlichen Kontext (z. B. die deutsche Wiedervereinigung oder 9/11) definieren die Zugehörigkeit zu einer Generation über das Geburtsdatum hinaus und bestimmen letztlich Werte, Einstellungen, und Präferenzen, die während der Kindheit und Jugend geprägt werden (vgl. Dencker et al., 2008). Zum anderen unterscheidet sich der ökonomische Kontext, in dem verschiedene Generationen in ihren jeweiligen 20ern/ 30ern (das heutige Alter der Gen Y) den Beginn ihrer Karriere erlebt haben bzw. erleben. Somit sind Periodeneffekte als (teilweise) Ursachen für wahrgenommene Unterschiede zwischen Generationen nie ganz auszuschließen.

Wegen des hohen Aufwandes sind Längsschnitt- bzw. time lag-Studien eher rar. Allerdings können die Forschungsdesigns der zwei bis dato vorhandenen Längsschnitt- bzw. time lag-Studien überzeugen:

Eine Studie von Kowske et al. (2010) bietet die bis dato verlässlichste Evidenz: Kowske und Kollegen stellen einen Trend zu geringerer Betriebszugehörigkeit (unter Kontrolle des Alters) fest, allerdings keine intergenerationalen Unterschiede in der Intention, den Arbeitgeber (freiwillig; „turnover intention“) zu verlassen (2010: 275). Angesichts der Beobachtung, dass selbst bei arbeitsbezogenen Einstellungen, die zwischen Generationen signifikant voneinander abweichen, der durch die Generationenzugehörigkeit erklärte Anteil der Varianz gerade einmal bei ca. 1-2% liegt (bei „turnover intention“ sogar nur 0,8%), kommen Kowske und Kollegen zu dem Schluss, dass „job hopping“ kein generationenspezifisches, sondern vielmehr ein individuelles Phänomen ist (2010: 275).

Auf Basis von time lag-Daten (national repräsentative Stichproben von 17-18-jährigen US-High School-Schüler in 1976, 1991, und 2006 mit insgesamt mehr als 16.000 Beobachtungen) finden Twenge et al. (2010) gar Evidenz für eine durchschnittlich höhere (!) Präferenz, in demselben Job den Großteil des (Arbeits-)lebens zu verbleiben, unter Vertretern der Gen X und Gen Y im Vergleich zu Baby Boomern. Zwischen der Gen X und der Gen Y zeigt sich allerdings kein signifikanter Unterschied. Die Beurteilung der praktischen Bedeutsamkeit bleibt dem Leser überlassen: Während 55,8% der Baby Boomer (zum Befragungszeitpunkt 1976 17-18 Jahre alt) dem Statement „I would like to stay in the same job for most of my adult life“ (größtenteils) zustimmten, waren dies 61,9% in der Gen X bzw. 60,4% in der Gen Y. Gerade zu einem frühen Befragungszeitpunkt (vor Berufseintritt) erhobene arbeitsbezogene Werte und Einstellungen gelten als gute Indikatoren, weil diese noch nicht durch unterschiedliche Erfahrungen und Alterseinflüsse beeinflusst sind (Twenge et al., 2010). Zudem geht die Forschung davon aus, dass Werte und Einstellungen primär in Kindheit und Jugend gebildet werden und dann zumindest bis zum frühen Erwachsenenalter zeitlich stabil sind (vgl. Low et al., 2005).

Aber es gibt auch Evidenz für häufigere Job- bzw. Arbeitgeberwechsel unter Gen Y-Vertretern. Beispielsweise zeigen Lyons et al. (2015) auf Basis einer Stichprobe von mehr als 2.500 kanadischen Managern und Professionals, dass Gen Y-Arbeitnehmer durchschnittlich mehr Job- und Arbeitgeberwechsel pro Jahr im Laufe ihrer bisherigen Karriere erfahren haben, als Vertreter der Gen X und Baby Boomer. Zusätzlich wechseln Vertreter der Gen X und Gen Y häufiger als Baby Boomer mit dem Job auch den Arbeitgeber. Allerdings kann diese Studie nicht ausschließen, dass durchschnittliche Mobilitätsraten mit dem Alter der Befragten abnehmen, Gen Yweil Job-/ Arbeitgeberwechsel in frühen Karrierephasen konzentriert sind und die Generationenunterschiede dementsprechend überschätzt werden. Hier wie auch in weiteren Querschnittsstudien (z.B. Becton et al., 2014) ist eine klare Aussage zu Generationenunterschieden somit durch die Konfundierung von Alters- und Generationseinflüssen nicht möglich. Die Gefahr ist, dass die Ergebnisse die tatsächlichen Generationenunterschiede (in unbekanntem Ausmaß) überschätzen.

Zusammenfassend muss man feststellen, dass eindeutige empirische Evidenz zur Frage, ob die Gen Y stärker zu (freiwilligen) Job- bzw. Arbeitgeberwechseln neigt als ihre Vorgängergenerationen, bisher (noch) nicht vorliegt. Die Studie von Kowske et al. (2010) demonstriert allerdings, dass Fluktuation ein vorrangig individuelles Phänomen ist, und generationenspezifische Unterschiede in der Praxis tendenziell überschätzt werden dürften.

Quellen