Die Zukunft des Lernens ist (nicht) digital

Computer, Smartphones und Tablets sind aus unserer Lernumgebung nicht mehr wegzudenken. Gleichzeitig nimmt die Beliebtheit von digitalen Lernangeboten wie Massive Open Online Kurse (MOOC), Lern-Apps oder -Foren rasant zu. Bereits das Jahr 2012 wurde von der New York Times als Jahr des MOOCs bezeichnet (New York Times, April 2012). Bei aktuellen Vorstellungen zur Zukunft der Arbeit: mobil, flexibel und selbstgesteuert (Süddeutsche Zeitung, März 2015) – scheint ein digitales Lernangebot, das unabhängig von Zeit und Ort genutzt werden kann, nur konsequent.

Nicht zuletzt passen qualitativ hochwertige, kostenfreie und uneingeschränkt zugängliche Online-Kurse von Elite-Universitäten (z.B. Stanford Online) zum aktuellen Trend einer zunehmenden Demokratisierung von Lernen und Arbeiten. Dies legt den Schluss nahe: Die Zukunft des Lernens ist digital! Aber kann digitales Lernen wirklich alle Bedarfe der Lernenden abdecken und nachhaltig wirksame Lernresultate produzieren? Oder werden reale Erlebnisse in Zeiten der Entgrenzung und Auflösung klassischer Strukturen nicht immer wichtiger?

In einer Delphi-Studie zur Zukunft Personalentwicklung (Schermuly et al. , 2012) sollten die befragten Experten verschiedene PE-Instrumente hinsichtlich ihrer prognostizierten Bedeutungszu- oder –abnahme bewerten. Das erstaunliche Ergebnis: E-Learning und Blended Learning rangierten keineswegs auf den vordersten Plätzen; dem erfahrungs- und handlungsbasierten Format des Action-Learnings wurde beispielsweise ein deutlich höherer Bedeutungszuwachs zugeschrieben.

In eine ähnliche Richtung weisen aktuelle Befunde aus der empirischen Lernforschung. Die multisensorische Lerntheorie postuliert, dass das Gehirn leichter lernt, wenn Informationen aus unterschiedlichen Sinnesorganen miteinander assoziiert werden, wobei insbesondere der Bewegungswahrnehmung eine entscheidende Rolle zuzukommen scheint.

Eine aktuelle Studie von Mayer und Kollegen (2015) verdeutlicht dies sehr anschaulich. Studienteilnehmer sollten abstrakte Wörter memorieren. In einem ersten Experiment wurde ihnen ein passendes Bild oder eine Geste gezeigt. In einem zweiten Experiment malten die Teilnehmer das Wort symbolisch in der Luft nach oder drückten es selbst mit einer Geste aus.

Die Ergebnisse zeigen: Das beste Ergebnis erzielten die Probanden, wenn sie das zu erinnernde Wort selbst mit einer Geste nachgeahmt hatten.

Überträgt man diese Ergebnisse auf die Frage der Gestaltung von wirksamen Lernformaten, lässt sich ein recht einfacher praktischer Leitsatz ableiten: Lernprozesse die gleichzeitig mehrere Sinnesorgane ansprechen und eigenes Handeln beinhalten, sind besonders erfolgsversprechend.

Der Gestaltung von Lernumwelten, die multisensorische Lernerlebnisse anregen, kommt damit eine ganz neue Bedeutung zu. Nicht ohne Grund verzeichnen sogenannte Co-Working Spaces – Orte des sozialen Lernens und Arbeitens, die eben diese Prinzipien auch räumlich unterstützen, allein in Europa einen Zuwachs von 97% (Deskmags second Annual global Coworking Survey, 2012).

Fazit: Die Zukunft des Lernens ist keineswegs ausschließlich digital. Anregende Lernumwelten, die sinnliche Lernerlebnisse unterstützen und soziales Lernen ermöglichen, werden immer wichtiger.

Quellen